"Meine Filme sollen für andere Menschen einen Wert haben“

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Für "Revanche“ war er oscarnominiert: Regisseur Götz Spielmann über die Dreharbeiten zu seinem neuen Spielfilm "Oktober November“ in Niederösterreich.

Spätestens seit seiner Oscar-Nominierung mit "Revanche“ zählt Götz Spielmann zu den wichtigsten heimischen Film-Autoren. Derzeit arbeitet er an der Fertigstellung seines neuen Films "Oktober November“, einer Familiengeschichte vor dem Hintergrund eines unrentablen Gasthofs in einem kleinen Dorf. Dort schart ein von Herzschwäche geplagter, alternder Patriarch (Peter Simonischek) seine Familie, darunter beide Töchter (Nora von Waldstätten, Ursula Strauss), um sich. In diesem Spannungsfeld entwickelt Götz Spielmann eine komplexe Erzählstruktur, um familiäre Konflikte aufzuschlüsseln. Die FURCHE sprach mit Spielmann am Rande der Dreharbeiten im niederösterreichischen Annaberg.

Die Furche: Sie sagen, Ihr Film hat eine komplexe Erzählstruktur, die zunächst simpel aussehe. Wie erdenken Sie so etwas?

Götz Spielmann: Das ist ein Prozess, den man schwer beschreiben kann. Und zwar deshalb, weil ein Teil der Schreibarbeit, und zwar vielleicht der wichtigere Teil, Intuition und Instinkt ist. Beides kann man sprachlich nicht beschreiben, denn das ist ja eine eigene Welt und nicht einfach nur ein Wort. Andererseits ist es auch harte Arbeit mit Ausprobieren und Verwerfen. Beim Schreiben ist für mich sehr viel Bewusstsein nötig, um an den Punkt zu kommen, an dem man spürt, dass etwas richtig ist. Erst dann schreibe ich es auf, und zwar intuitiv. Das bedeutet für mich, dass ich beim Inszenieren sehr viele Entdeckungen mache, weil als Regisseur musst du sehr viel verstandesmäßiger und intellektueller arbeiten denn als Autor. Als Regisseur entdecke ich meine Drehbücher gedanklich erst.

Die Furche: "Oktober November“ ist auch eine Familiengeschichte. Was bedeutet der Begriff Familie in der heutigen Zeit?

Spielmann: Familiengeschichten sind oft voll von Hass und Selbstzerstörung, die dramatische Literatur hat quasi damit begonnen. Familie kann auch ein Rückzugsort und ein Kraftfeld sein. Was mich interessiert, sind die Verbundenheiten untereinander, im Schönen wie im Problematischen, die in Familienstrukturen geballt und komplex aufeinander treffen. Das wird ein zentrales Thema in "Oktober November“ sein.

Die Furche: Auffallend ist, dass in den meis-ten Ihrer Filme die Orte, an denen sie spielen, eine immense Bedeutung haben. Wie finden Sie die Orte, die zu Ihren Geschichten passen?

Spielmann: Die Orte sind sehr wichtig, weil sie der Raum sind, in dem meine Figuren agieren. Mich interessiert an Menschen auch der Raum, der sie umgibt. Das ist eine andere Blickweise, denn das erzählt unglaublich viel über die Figuren. Bei mir geht die Locationsuche so vonstatten: Ich habe zunächst eine Geschichte, in der noch vieles abstrakt ist, wo ich mir auch noch keine präzisen Bilder vorstelle. Mit dieser Geschichte gehe ich dann hinaus in die Welt und schaue, wie sie darauf reagiert. Als ich hier in Annaberg war, stellte ich fest, dass die Geschichte am besten hierher passte. Danach schrieb ich das Drehbuch. Auch das ist ein sehr komplexes Suchen, wo die Geschichte und der Ort einander immer wieder wechselweise beeinflussen.

Die Furche: Was hat die Oscar-Nominierung für "Revanche“ verändert? Befriedigt das eine gewisse Form von Eitelkeit?

Spielmann: Das ist keine Eitelkeit. Mich beschäftigen solche Dinge wie "Karriere machen“ ein bisschen weniger, als man von meinem Beruf im Allgemeinen vermuten müsste. Dennoch ist es eine Anerkennung für meine Arbeit gewesen, die ich sehr lange Zeit nicht hatte. Das ist eine große Freude und ein Mehrwert für meine Arbeit, dass man ihr Respekt entgegen gebracht hat. Der Erfolg auf dieser Ebene, zu spüren, dass das, was du machst, einen Wert für andere hat, das ist schon ein großer Lebensgewinn. Das ist mir wichtig, denn ich mache ja Filme nicht zu meiner eigenen Selbstverwirklichung. Das wäre unsinnig, da gäbe es weitaus bequemere Dinge, um sich selbst zu verwirklichen. Sondern ich mache Filme in der Hoffnung, dass sie für andere Menschen einen Wert haben.

Die Furche: Nimmt das auch Druck weg, wenn man weiß, man wird gehört?

Spielmann: Druck nimmt das nicht weg, denn der Anspruch an mich ist ja ein anderer als die Anerkennung. Die Suche ist genau dieselbe wie früher. Aber man arbeitet in einem schöneren Umraum. Man ist kein anderer, aber man wohnt besser.

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