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VOM „BRAVEN SOLDATEN SCHWEIJK II”

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In der Zeitschrift „Der tschechoslowakische Film” (herausgegeben von der staatlichen Filmexportgesellschaft der Tschechoslowakei) wird uns mitgeteilt, daß man jenseits unserer nördlichen Grenzen neuerlich darangegangen ist, das Spiel vom „braven Soldaten Schwejk” zu verfilmen, um einer nun politisch und angesichts der Erfahrungen schon sehr skeptisch gewordenen tschechischen Filmgemeinde die Mär vom „Völkerkerker Oesterreich” aufzutischen, in dessen „Drahtverhaubereich” sich schließlich nur noch ein Mensch von der primitiv-schlauen Art des Soldaten Schwejk zu behaupten vermochte. Die gesellschaftliche Distanzierung zwischen den Offiziersburschen und deren „Herren”, sozialer Anachronismus,’ zumindest beF1-’ uns. Man sollte in der „neuen” Tschechoslowakei aber nicht vergessen, daß alles, was man ‘jetzt noch unter dem Deckmantel der politischen Satire gegen das alte Oesterreich vorbringt, heute letzten Endes den Charakter einer Attacke gegen das tschechische Regime selbst annehmen kann. Wie wäre es, wenn sich heute ein volksdemokratischer Offiziersbürsche in der tschechischen „Volksarmee” wie der „brave Schwejk” für ein gegen den Staatschef begangenes Attentat ausspräche oder etwa gar das volksdemokratische „Herrscherhaus” anzugreifen wagte? Man gäbe dem Schwejk von heute kaum Gelegenheit, sich weiterhin so zu betätigen, wie es sein literarisches Vorbild tun konnte. Gerade der Umstand, daß der Oesterreichhasser Jaroslav Hašek davon ausgehen konnte, sein Held Schwejk werde bei seinem passiven Widerstand gegen seine österreichischen Vorgesetzten schließlich doch ungestraft bleiben, bewies, welche gute Meinung Hašek vom alten Oesterreich hatte und wie der „Völkerkerker” Oesterreich eigentlich beschaffen war. Heute ist in der Tschechoslowakei ein ganzes Volk dazu verurteilt, ein Volk von „Schwejks”, besser, von „Schweigern”, zu sein und wird von einer „etwas vertrottelten Geheimpolizei” (laut Prospekt) erheblich strenger überwacht als ehedem in Oesterreich. So wäre es nun an der Zeit, daß der „Schwejk II” geschrieben wird, wenn auch freilich in der Tschechoslowakei der „neuen Zeit” kaum soviel Humor angesammelt ist, wie dies noch beim altösterreichischen Schwejk I der Fall war.

Der Langmut der Oesterreicher,- wenn sie im eigenen Land von Fremden beleidigt werden, ist weltbekannt und sicher auch eine Fremdenverkehrsattraktion. Wir hierzulande lassen uns viele Dinge sagen, angefangen von der „vertrottel- . ten” Darstellung der einzelnen Epochen unserer Geschichte (wobei der Publikumserfolg um so sicherer ist, je stärker der Grad der Vertrotte- lung der Filmdarstellung ist) bis zur liebevoll gepflegten Annahme so vieler Oesterreicher, daß die österreichische Geschichte erst mit 1918 so recht beginne.

Der sogenannten „österreichisch-tschechoslowakischen Freundschaft” kann jedenfalls-ein Film wie der vom Soldaten Schwejk kaum einen guten Dienst erweisen. Den Tschechen aber werden sich unwillkürlich Vergleiche mit ihrer gegenwärtigen Situation aufdrängen, brauchen sie doch nur die österreichischen Originalfiguren des Stückes mit tschechischen Eigenprodukten zu vertauschen und schon kann der Film politisch die Wirkung eines Bumerangs haben.

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