"Auntie Beep" in Not

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Die BBC - Mutter aller öffentlich-rechtlichen Anstalten - ist in der schwersten Krise ihrer Geschichte. Nun droht ihr gar die Zerschlagung.

Ich liebe die BBC." Mit verzweifelten Worten musste Reporter Andrew Gilligan Ende Jänner nach der Veröffentlichung des Hutton-Berichts seinen Abschied nehmen. Damit ist er nicht allein: Die 1922 gegründete British Broadcasting Corporation ist mehr als ein Arbeitgeber. Sie ist eine Institution.

Viele Jahre hatte die private Konkurrenz der liebevoll "Auntie Beeb" genannten Rundfunkanstalt hart zugesetzt. Gegen Mogule wie Rupert Murdoch konnte man nicht mehr mithalten. Nicht nur gingen die Rechte für die wichtigsten Sportübertragungen verloren, die private Konkurrenz produzierte auch die beliebteren Sendungen.

Die BBC verlor Seher und Hörer und stürzte in eine Identitätskrise. War in einer Welt des totalen Wettbewerbs noch Platz für einen Sender ohne Werbung, der sich ausschließlich aus Gebühreneinnahmen (derzeit 2,6 Milliarden Pfund im Jahr) finanzieren darf? Welche Notwendigkeit bestand für eine strikter Objektivät verpflichtete Medienanstalt, wenn ihre Programme verstaubt und langweilig wirkten?

Greg Dyke - der Motivator

Es war ein Mann des Privatfernsehens, der die Beeb aus der Depression führte. Als der nun ebenfalls zurückgetretene Greg Dyke im Jahr 2000 Generaldirektor wurde, hatte die BBC den Ruf eines "bürokratischen Monsters". Dyke modernisierte den Sender, sorgte für ein neues Programm, das auch Großbritannien rasch die Diskussion Quote gegen öffentlichen Auftrag bescherte, vor allem aber motivierte er seine 26.000 Mitarbeiter neu.

So mag es wenig erstaunen, dass sein Abschied unter Protesten Tausender Mitarbeiter, von denen manche Tränen vergossen, erfolgte. Erstaunlich war hingegen, wie schonungslos offen und selbstkritisch die BBC über ihre eigene Krise berichtete.

Lordrichter Hutton hatte dem Sender "fehlerhafte Redaktionsabläufe" und ein Versagen der internen Kontrollen vorgeworfen, nachdem Gilligan unter Berufung auf eine anonyme Quelle in der Nachrichtensendung Today auf Radio 4 am 29. Mai um 6.07 früh erklärt hatte, die Regierung habe in ihr Irak-Dossier wider besseres Wissen die Behauptung aufgenommen, Saddam Hussein verfüge über binnen 45 Minuten einsetzbare Massenvernichtungswaffen. Er provozierte damit einen sofortigen Gegenangriff von Blairs Kommunikationschef Alastair Campbell. Umgehend musste ein offizielles Dementi verlesen werden.

Doch das Unheil war nicht aufzuhalten. Die BBC stellte sich die voll hinter Gilligan, obwohl man es - müde der endlosen Angriffe Campbells - lange verabsäumte, Fehler und Ungenauigkeiten in seinen Aussagen zu prüfen und zu korrigieren. Campbell und die Regierung hingegen beharrten auf dem Wortklauben über die 45Minuten-Aussage.

Der bittere Hutton-Report

Hutton sprach schließlich die Regierung von allen Vorwürfen frei und kritisierte nur die BBC. Angesichts der Einseitigkeit seines Berichts verteidigten selbst Feinde den Sender. Für die Berichte in eigener Sache erntete die BBC Anerkennung wie selten. In ersten Umfragen sprachen ihr drei Mal mehr Menschen das Vertrauen aus als der Regierung.

Doch die Krise ist nicht vorbei. Schließlich ereignet sich alles zu einem sensiblen Zeitpunkt: 2006 steht die Erneuerung der Royal Charter, die Auftrag und Aufgaben der BBC festschreibt, an. Entgegen aller Bekenntnisse zur Unabhängigkeit des Senders sickerte kürzlich ein Papier durch, in dem von einer Zerschlagung der BBC in vier regionale Einheiten für England, Wales, Schottland und Nordirland die Rede ist. Die Regierung dementierte. Doch das Misstrauen bleibt.

Denn es besteht kein Zweifel, dass dies das Ende der BBC wäre. Für jeden, der am Morgen mit John Humphreys erwacht, wie er sich in Today in einen Ausflüchte suchenden Minister verbeißt und den Abend mit Jeremy Paxman in Newsnight ausklingen lässt, der sich nicht scheut, eine Frage neun Mal zu wiederholen, um einen Politiker zu einer Antwort zu zwingen, für den wäre Großbritannien dann ein anderes Land. Aber sicherlich kein besseres.

Das ist die BBC

* 8 landesweite TV-Stationen

* 10 landesweite Radiostationen

* mehr als 50 lokale Radiosender

* weltweiter Kurzwellendienst " BBC World Service

* größter nationaler Internetinformationsanbieter

* umfangreiche Bildungs- und Kinderprogramme

* Programme in Minderheitensprachen

* größte nationale Ausbildungs- und Produktionsstätte für Musik, Theater, Film, Radio, TV

* Orchester

* 26.000 Mitarbeiter

* 1,75 Milliarden Euro Gebühreneinnahmen jährlich

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