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Ein neuer Figaro

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Vor vier Jahren wurden die Festspielbesucher mit einem interessanten „Figaro“ überrascht, der als Versuch einer Auslegung des Werkes von den einen begrüßt, von den anderen abgelehnt wurde. Sowohl das Bühnenbild von Raffaelli als auch die Reigie Sellners waren darauf angelegt, die politische Natur dieser Oper sichtbar zu machen. Hinter dem frivolen Liebes- und Intrigenspiel der Handlung sollte die innere Auflehnung des dritten Standes gegen die Willkür der Herrschenden wie ein Wetterleuchten der Revolution aufblitzen. Napoleons Ausspruch, mit dem „Figaro“ von Beaumarchais sei die Revolution anmarschiert, wurde durch jene Inszenierung selbst noch in der verwässerten Fassung des Textbuches von Lorenzo da Ponte plausibel. Günther Rennert, der „Figaro“-Regisseur der heurigen Festspiele, kehrte auf den Boden der bewährten Aufführungstradition zurück, und man vermerkt mit einem erleichterten Aufatmen, daß Mozart wieder vor Beaumarchais und da Ponte steht. Die verschiedenartigen Handlungselemente greifen organisch ineinander und bilden in der Abwicklung eine logische Einheit; die beiden sozialen Ebenen, auf denen das Geschehen vor sich geht, stellen sich hier nicht wie bei Sellner als die Gegensätze von Hoch und Nieder, von Anciennität und neuem Anspruch, von aristokratischer Ge wohnheit und respektloser Intelligenz dar, sondern als ein geistiger Raum, in dem sich die Formen der Opera šeria und der Commedia dell’arte ergötzlich begegnen.

Die Dekorationen des Münchners Rudolf Heinrich erfreuen in ihrer Architektur und Farbigkeit durch gediegene Noblesse. Nur der Garten des vierten Aktes kommt ein wenig zu kurz; ihm fehlt das Geheimnisvolle, Poetische, das vom Handlungsinhalt wie von der Musik als Entsprechung gefordert wird. — Doktor Karl Böhm und die Wiener Philharmoniker demonstrierten auf vollkommene Weise die Kardinaltugenden authentischer Mozart-Interpretation: Exaktheit, Empfindung, Natürlichkeit. Walter Berry war ein herrlich vitaler, buchsbaumgedrechselter, urgesunder und lustiger Figaro. Claire Watsons Gräfin gewann durch den beseelten Adel ihres Wesens und durch ihre ausdrucksvolle Stimme echte Teilnahme. Ingvar Wixell gestaltete einen rustikalen, dabei durchaus glaubhaften Almaviva. Reri Grist sang und spielte ihre Susanne mit komödiantischem Übermut; ihre Darstellung hatte die Frische einer Improvisation. Als Cherubin führte sich Edith Mathis sowohl gesanglich als auch schauspielerisch verheißungsvoll ein. Alle übrigen vereinigten sich zu einer Ensembleleistung von hohem Niveau.

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