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Uraufführung einer neuen „Stella“-Oper

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Höhepunkt der heurigen Grazer Festspiele bedeutete unzweifelhaft die Uraufführung der Oper „Stella“ von Waldemar Bloch. Der Librettist Harald Kaufmann, in Graz als Musikä6thet und Kritiker überaus geschätzt, hatte den Vorwurf, das Goethesche Schauspiel, mit ebensoviel literarischer Pietät wie dramatischem Geschick in ein brauchbares Opernbuch verwandelt, das zufolge der notwendigen Straffung und trotz unerläßlicher Kürzungen die physiognomische Plastik der Figuren unc“ den (psycho)logischen Handlungsfluß in '-.einer Weise beeinträchtigt und auch die ii. daktylische Rhythmen transpo-

nierte Prosa in unverminderter sprachlicher Schönheit zeigte. Von besonderem, geheimnisvollem Reiz ist die formale Anlage des Librettos: der erste Akt, die Vorfabel, fällt ganz weg, die restlichen vier sind zu zwei Akten zusammengezogen; die Exposition wird in einem knappen Prolog gegeben, in dem die Personen als Figurinen ihre Besonderheit dartun, der Verwalter kurz die Situation erklärt und alle Beteiligten das Spiel „noch einmal“ erleben läßt. Dem Prolog entspricht nach dem tragischen Ende — Bloch wählte die „zweite Fassung“ des Schauspiels — ein gleichfalls surreal gehaltener Epilog, der die traurige Historie eigenartig zwar, aber höchst poesievoll in kommentierendem Oratorienstil beschließt,

Was an Blochs Musik am meisten frappiert, ist ihre Affinität zur Sprache. Das heißt im besonderen: Geist und Aura der Goetheschen Schöpfung werden — was manche befürchten zu müssen glaubten — durch die Vertonung nicht verletzt, sondern verdichtet und vertieft, au6 anderem Stoff neu geboren. Die „Stella“ und ihr gefühlsgespanntes Dreieckspiel scheint es Bloch speziell angetan zu haben: das Ubermaß an Empfindungen wird mittels emphatisch geführter Singstimmen in sang- und dankbare Kantilene verwandelt. Puccini stand dabei (nicht was den durchaus eigenständigen Einfall betrifft!) hörbar Pate, an Hindemith klingen manche Intervallschritte und diese oder jene polyphone Stelle im Orchester an, das, mozarti6ch besetzt und im Grunde impressionistisch-homophon, dort, wo es sich selbständig machen darf, differenziert, apart und geistvoll zu 6predien weiß. Fehlen dem Werk auch, dem Stoff gemäß, 6tarke Kontrastwirkungen, so erweist es sich doch in jeder Phase und Phrase als inspiriert und gekonnt und vermag mit seiner herben musikalischen Sprache das Interesse, das es durchgehend auslöst, oftmals zur Ergriffenheit zu steigern.

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