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Arbeitslosigkeit in der BRD

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Das von der deutschen Bundesregierung für das Jahr 1977 anvisierte Ziel einer durchschnittlichen Arbeitslosenzahl von 850.000 Arbeitslosen im Jahresdurchschnitt ist inzwischen unerreichbar geworden. Im Jahresdurchschnitt 1977 wird die Arbeitslosenzahl zwischen 1 bis 1,1 Millionen Arbeitsuchenden liegen. Obwohl die Zahl der Arbeitslosen im Monat August 1977 gegenüber dem Vormonat Juli mit 973.000 unverändert blieb, ist dies gegenüber dem Vorjahr eine deutliche Verschlechterung. Ging im Jahre 1976 die Arbeitslosenzahl von Jänner bis September kontinuierlich zurück, so wurde in diesem Jahr der Wendepunkt bereits im Juni mit 923.000 Arbeitslosen erreicht. Seither steigt die Arbeitslosenzahl wieder an, sie lag im August um 33.000 höher als im August des Vorjahres.

Angesichts der Hiobsbotschaften die vom deutschen Arbeitsmarkt kommen, hat die Nervosität in den

Parteien der schwachen Regierungskoalition, in den Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden stark zugenommen. Pessimismus verdrängt oft nüchterne Überlegungen.

Die gleichen Politiker und Experten, die noch vor wenigen Jahren den Mangel an Arbeitskräften als ein quä lendes Übel der deutschen Wirtschaft bezeichnet hatten, sehen nun im Mangel an Arbeitsplätzen einen chronischen Zustand. Als Erfolgsrezept empfehlen sie massive Eingriffe des Staates in den Wirtschaftsablauf, die bis zur Rationierng der Arbeit gehen.

Dabei haben gerade vergleichbare Industrieländer wie Frankreich, Großbritannien und Italien nicht nur bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit sondern auch bei allen anderen wirtschaftspolitischen Zielen schlechtere Ergebnisse vorzuweisen, als die BRD, obwohl in diesen Ländern die staatlichen Eingriffe und Interventionen in den Wirtschaftsablauf zur Regel, und marktwirtschaftliche Lösungen zur Ausnahme geworden sind.

Der frühere deutsche Wirtschafts-

minister Prof. Karl Schiller sprach sich erst jüngst wieder gegen die vor allem von Gewerkschaftsseite vorgetragenen Ideen aus, die Arbeitslosigkeit durch Urlaubsverlängerung (6 Wochen als Ziel) und Frühpensionierungen zu bekämpfen. Er nannte dies ein Programm zur Arbeitsplatzverteilung, nötig aber sei ein Programm zur Arbeitsplatzbeschaffung.

Den optimalen Weg für die Arbeitsplatzbeschaffung sieht Prof. Karl

Schiller in massiven steuerlichen Investitionsbegünstigungen, insbesondere degressiven Abschreibungen. Nach Prof. Schillers Meinung sollten die durch die steuerlichen Investitionsbegünstigungen entstehenden neuen Vermögenssubstanzen zu einem vorgeschriebenen Anteil eigen-

tumsmäßig in Arbeitnehmerhand übergehen. Die Kombination von unmittelbar wirkenden steuerlichen In- vestitionsbegünstigungen und der synchronisierten Begünstigung von Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand würde eine maßvolle Lohnpolitik begünstigen und sei daher die beste Förderung des wirtschaftlichen Wachstums.

In Österreich hat übrigens der ÖAAB schon im Sommer 1973 Vor schläge für einen Investivlohn der Öffentlichkeit vorgelegt, die unter anderem vorsahen, daß ein Teil des Lohnes den Arbeitnehmern nicht bar ausbezahlt wird, sondern in Form von Wertpapieren, Beteiligungszertifikaten, Obligationen gutgeschrieben wird.

Zur Überwindung der nun schon länger andauernden Arbeitslosigkeit tauphen also wieder die schon alten Vorschläge zur Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand auf. Vielleicht ist dafür gerade jetzt die Zeit sehr günstig. Die Kombination einer maßvollen Lohnpolitik mit einer Politik zur Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand würde nicht nur das Wachstum der Wirtschaft und die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen fördern, sie würde durch den Abbau der Vermögenskonzentration in der BRD sicher auch dazu beitragen, das marktwirtschaftliche System in der Öffentlichkeit der BRD attraktiver zu machen.

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