Die vom 23. bis 27. Mai Linz und seine LandstraBe in das farbenfrohe Bild des Couleurstudententums tau-chende Generalversammlung des ka-tholischen osterreichischen Cartell-verbandes (CV) darf einiges offentli-che Interesse erwarten.
Weit iiber 100 Delegierte der dem CV angehorigen Studentenverbin-dungen werden iiber die Vorlage eines Grundsatzprogramms zu befinden haben. Der Wunsch, die Gesell-schaft nach christlichen Zielvorstel-lungen mitzugestalten, entspricht dem Leitspruch des fast schon ver-flossenen Studienjahres:
„Wende oder Ende - Impulse fiir eine Gesellschaft von morgen.“ Plu-ralismus der Weltanschauungen und der Werte hat unweigerlich die ethi-sche Unverbindlichkeit zur Folge, die nicht nur ungeeignet scheint als Losungskapazitat gegenwartiger Krisen des Menschseins, sondern dieselben erst produziert.
Darin sieht der CV die Herausfor-derung der Gegenwart, die geistige Armut des modernen Sozialstaats in seiner hedonistischen Versunken-heit umzuwandeln in eine verbindli-che Lebenshaltung der Briiderlich-keit gegeniiber den Mitmenschen. Christliches Leben erfullt sicfi in der Verantwortung und diese zielt alle-mal zuerst auf den Nachsten.
So ging es fiir diesen vielschichti-gen Verband um die Sensibilisierung seiner Mitglieder fiir soziales Engagement im Sinne der Neuen Sozialen Frage wie auch der Entwicklungshil-fe.
Mit einer Fiille von Aktionen und Veranstaltungen gait es, ein Bewufitsein zu schaffen von den Zusammen-hangen der oberflachlichen Kon-sumgesellschaft mit den ungelosten sozialen Problemen der Welt von heute. Eine einwochige internatio-nale Ausstellung fiir die Dritte Welt im Wiener Messepalast konnte 13
Entwicklungshilfeorganisationen zur Mitarbeit sammeln. Die Mehrzahl der CV-Studentenverbindungen bemuhte und bemuht sich um die Durchfiihrung begrenzter, konkre-ter, ganz bestimmten notleidenden Menschen zugute kommende Hilfe-stellungen.
Der Bogen der theoretischen Aus-einandersetzung mit den Problemen der Neuen Armut spannt sich von mit Prominenten besetzten Podiumsdis-kussionen iiber den modernen So-zialstaat bis zu konkrete Projekte vorbereitenden Arbeitskreisen in den einzelnen Verbindungen.
Eine diese Einsatze koordinierende Gruppe konnte unter der klingenden Bezeichnung „Sozialitas“ konstitu-iert werden. Nicht nur CVer sollen Mitglieder dieses Vereins zur Forderung sozialer Aktivitaten werden konnen, auch jeder FURCHE-Leser ist herzlichst dazu eingeladen (An-meldungen: Lerchenfelder StraBe 14, 1080 Wien).
Gerade die Nationalratswahl des 6. Mai zeigt es: Personliche Opferbe-reitschaft, Einsatz, Risiko und personliche Betroffenheit allein konnen Grundwerte glaubhaft fordern, den Geist der Zeit mit dem des Christen-tums verbinden.
Der CV miiBte es wissen, seine uberall kolportierte Umfrage unter osterreichischen Jugendlichen forderte nicht nur die Distanz der Ju-gend zur offentlichen Politik, ihren Riickzug in die Privatidylle zutage, ohne deren angstvolle Beschworung kein politischer Grundsatzartikel mehr auskommt. Neben einer er-schreckenden Vorbildlosigkeit unse-rer Jugendlichen besteht das Haupt-problem jeder Jugendpolitik in der Verwaschenheit jugendlicher Wert-vorstellungen, ihrer grundsatzlichen Wertbereitschaft ohne sichtbare und umsetzbare Konsequenzen und da-mit drohender Anfalligkeit fiir rosa-rote Erbauer von gesellschaftspoliti-schen Luftschlossern.
Unsere vorbildlose Gesellschaft braucht dringend vorbildliche Politiker, die im Sinne der genannten Ei-genschaften Politik leben, sie aber nicht vordergriindig als Geschaft be-treiben. Eine Wende zu christlichem Leben muB zur Selbstverstandlich-keit des biirgerlichen Lagers werden, nicht nur der einfachen Menschen, sondern zuallererst und ganz beson-ders der sogenannten christlichen Volksvertreter und derjenigen, die sich nur allzu oft zur christlichen Weltanschauung mit Worten beken-nen.
Auch der CV wird nicht umhin-kommen, seinen Beitrag zu leisten, seine Mitglieder in verstarktem AusmaB zu verlaBlichem, verstandi-gem und hilfsbereitem Engagement zu mobilisieren.
(Der Autor dieses Beitrages ist Pra-sident des OCV-Studentenverban-des.)