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Bekenner-Kardinal

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Der Primas Hungarlae wurde abgesetzt, aber er resignierte nicht. Und es ist die Frage, wie weit eine solche Absetzung überhaupt in das Bewußtsein der katholischen Ungarn einzudringen vermag. Namen und Titel lassen sich von Amts wegen ändern, nicht aber Menschen und historische Fakten. Kardinal Jözsef Mindszenty ist ein Faktum, das sich durch Gehirnwäsche oder „Zwieden-ken“ nicht mehr aus der Weltgeschichte eliminieren läßt. Seine Absetzung allerdings hatte ein Vorspiel.

Westlichen Agenturmeldungen zufolge haben die obersten Repräsentanten der ungarischen „Friedenspriesterbewegung“, Bischof Ijjäs und Bischof Cserhäü, gemeinsam mit den Spitzenfunktionären des ungarischen Kirchenamtes Imre Miklös und Fe-renc Lippenyi zu Beginn des Jahres 1974 in Rom massiv interveniert, um beim Vatikan die Abberufung des 81jährigen und seit 1971 im Wiener Exil lebenden Erzbischofs von Esz-tergom und Kardinal-Primas von Ungarn, Jözsef Mindszenty, durchzusetzen. Als Vorwand dienten dabei Mindszentys angebliche diplomatische Beziehungen zu diversen freien Ländern, Mindszentys Besuche bei ungarischen Kolonien in Europa und Übersee, Mindszentys Begrüßung durch Staatsmänner, die den kommunistischen Machthabem nicht sympathisch sind. Wahrer Grund für die Intervention war allerdings Mindszentys bloßes Vorhandensein. Immer, wenn die Linke nicht mehr tötet, schafft sie ab. Durch „Abschaffung“ glaubt sie Menschen verändern zu können oder von der Bildfläche wegzufegen, wir haben es ja auch hierzulande schon erlebt. Im Falle der amtlichen ungarischen Intervention beim Vatikan hieß die Alternative: „Abschaffung“ Mindszentys oder Abbruch der „Normalisierungsgespräche“ zwischen Budapest und Rom. Der Vatikan folgte dem Beispiel zeitgenössischer westlicher Politiker, alle Trümpfe, ohne Gegenleistung östlicherseits, aus der Hand zu legen. Er schaffte Mindszenty ab. Vielleicht erlebt er nun, was zeitgenössische westliche Politiker bereits erleben mußten, daß nämlich der Osten Jahr für Jahr die gleiche Ware anbietet und Jahr für Jahr dafür einen höheren Preis verlangt, daß die angebotene Ware aber nie zur Lieferung gelangt.

Vielleicht. Wir aber neigen uns in Ehrfurcht vor dem Kardinal-Bekenner, gemeinsam mit zahllosen Ungarn, katholischen und nichtkatholi-schen, eingedenk der Schicksalsgemeinschaft, die uns, die Nachbarn, jahrhundertelang miteinander verband.

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