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Die Reise nach Budapest

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Wohl kaum ein internationales Ereignis der letzten Zeit wurde von der Weltpresse mit solcher Aufmerksamkeit verfolgt wie der angekündigte Besuch Kardinal Königs in Budapest. Und doch ist es gelungen, den Termin der Reise des Wiener Kardinals nach Ungarn so geheim zu halten, daß die ersten Nachrichten erst dann über den Fernschreiber liefen, als der Kardinal schon das Gebäude der amerikanischen Gesandtschaft in Budapest betreten hatte. Der Kardinal ist programmgemäß am Abend des gleichen Tages wieder nach Wien zurückgekehrt. Er hat am nächsten Tag den Nuntius informiert, sonst aber jede Erklärungen über seine Reise und seine Gespräche abgelehnt. Alles, was seither über diese Reise geschrieben wurde, auch wenn man sich auf angeblich kirchliche Kreise Wiens berief, sind reine Vermutungen und Kombinationen.

Welche Ergebnisse die Unterredung König—Mindszenty hat, wird sich wahrscheinlich erst in einigen Monaten zeigen. Der Kardinal selbst sagte lediglich, er betrachte seine Reise nicht als sinnlos. Seit sechseinhalb Jahren lebt Mindszenty in der amerikanischen Gesandtschaft in Budapest im Asyl. Seitdem hat sich vieles geändert, in der Welt., aber auch in Ungarn. Wie weit Kardinal Mindszenty von diesen Veränderungen Kenntnis hat, wie weit sie seine persönliche Einstellung beeinflußen, das zu erfahren war wohl der Hauptzweck der Reise des Wiener Erzbisehofs. Von zwei Möglichkeiten wurde immer gesprochen: der Berufung Mindszentys nach Rom, aber auch einem freien Aufenthalt in Ungarn bei Verzicht auf seine kirchlichen Ämter. Das letztere scheint darauf hinzudeuten, <laß das Kadar-Regime in der Anwesenheit

Mindszentys in Ungarn keine Gefahr mehr sieht.

Ist der „Mindszenty-Myrhos“ in Ungarn erloschen? Berichte Ungarnreisender von Gesprächen mit katholischen Laien und Priestern, die dem Regime absolut ablehnend gegenüberstehen, scheinen dies zu bestätigen. Die seelsorgliche Lage in Ungarn, wo die Kirche nach wie vor unter dem Druck eines atheistischen Regimes lebt, erfordert dringend Abhilfe. Die Kirche muß unter jedem Regime leben, auch unter dem Regime der Verfolgung. Zahlreiche Bischofsstühle stehen leer. Wenn sie besetzt werden können, dann gewiß nicht mit Priestern, die sich dem Regime als Handlanger angeboten haben, aber auch nicht mit jenen, die das Regime bekämpften. Es wäre nicht das erste Mal in der Geschichte Ungarns, daß der Vatikan, um eine verfahrene Situation zu bereinigen, neue Männer an entscheidende Positionen beruft.

Am 8. September beginnt die zweite Session des Konzils. Wenn Kardinal Mindszenty an ihr teilnehmen kann, wird er mit jener Achtung und mit jener Ehrerbietung empfangen werden, die jedem gebührt, der für die Kirche schwerstes Leid auf sich genommen hat. Nahezu ein Drittel seines Lebens hat Kardinal Mindszenty im Kerker oder in Abgeschlossenheit verbracht. Nicht zuletzt ist das Problem Mindszenty ein menschliches Problem. Das Problem der Kirche in Ungarn aber ist in erster Linie ein seelsorgliches. Auch in Zukunft wird die Kirche in Ungarn einem Staat mit kirchenfeindlicher Ideologie gegenüberstehen. Nicht um eine Ko-Existenz mit dem Kommunismus geht es, wohl aber um die Existenz der Kirche.

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