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Keine Sensation

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Als Kardinal König vor mehr als zwei Jahren nach Budapest fuhr, um Kardinal Mindszenty aufzusuchen, war das eine Sensation. Nicht nur die Reise selbst war sensationell, sie war so gut vorbereitet und so geheim durchgeführt, daß erst nach der Unterredung im Gebäude der amerikanischen Gesandtschaft in Budapest die Tatsache dieses Besuches bekannt wurde. Auch die Kombinationen, die an diese Reise geknüpft wurden, waren nicht weniger sensationell. Seitdem sind zwei Jahre vergangen, und von all dem, was die Sensation sich von diesem Besuch erwartete, ist kaum etwas eingetroffen. Und nun fuhr Kardinal König zum zweitenmal nach Budapest. Der Anlaß war ein rein menschlicher. Kardinal Mindszenty feierte in diesen Tagen sein 50jähriges Priesterjubiläum. Von Feiern kann natürlich hier keine Rede sein. Er hat wahrscheinlich diesen Tag so wie alle anderen Tage in den mehr als acht Jahren, in denen er im freiwilligen Exil lebt, verbracht. Sein Volk, das ungarische Volk, konnte dieses Tages nicht in besonderer Form gedenken. War es aber nicht selbstverständlich, daß die Weltkirche, daß der Papst dem Kardinal an diesem Tag ein Zeichen des Gedenkens, ein Zeichen des Mitgefühls geben würde? Der Papst hat Mindszenty einen Kelch mit persönlicher Widmung und ein Schreiben mit seinen herzlichsten Glückwünschen übersandt. Und wer sollte eher dieses Geschenk und dieses Schreiben überbringen als Kardinal König? Daß er bei dieser Gelegenheit auch Erzbischof Hamvas, dem er schon seit langem einen Besuch versprochen hatte, aufsuchte, war ebenfalls selbstverständlich, zumal sich Erzbischof Hamvas in einem Budapester Spital zur ärztlichen Untersuchung aufhält. Ja, aber dann war die zweite Unterredung der beiden Kardinäle am Samstagvormit-tag. Hier hakten die Kombinatoren und Vatikanologen ein. War das nicht ein Indiz dafür, daß in dem Schreiben des Papstes doch mehr drinnenstand als bloße Glückwünsche, daß Mindszenty die Sache gewissermaßen überschlafen wollte, um am nächsten Tag König eine Antwort zu geben? Auch hier gäbe es eine einfache, ganz schlichte Erklärung. Kardinal König ist am späten Nachmittag nach Budapest gekommen. Er wollte Hamvas noch am selben Abend aufsuchen. Das Gespräch mit Mindszenty mußte daher notgedrungen unterbrochen werden, um es am nächsten Tag fortzusetzen.

Aber mit einfachen, logischen Erklärungen wird man Kombinationen, Spekulationen und Interpretationen nicht verhindern können. Wenn Kardinal König Kardinal Mindszenty besucht, dann erwartet die Welt daraus irgendwelche aktuelle Ergebnisse. Zu solchen Ergebnissen wird es in absehbarer Zeit voraussichtlich nicht kommen, so wünschenswert dies auch wäre, im Interesse der Kirche, im Interesse der ungarischen Katholiken, im Interesse einer geistigen Entspannung in der Welt und nicht zuletzt im Interesse jenes Mannes selbst, der seit 1956 in zwei kleinen Zimmern im vierten Stock der amerikanischen Gesandtschaft in Budapest im Exil lebt.

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