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Der Märtyrer

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Der ungarische Generalstaatsanwalt hat den Auftrag zur Überprüfung des Strafverfahrens gegen Kardinal Jozsef Mindszenty erhalten. Das wurde dem Primas der ungarischen Kirche, Kardinal Laszlo Poškai, in einem Schreiben des ungarischen Ministerpräsidenten Mildos Nemeth mitgeteilt.

Mindszenty war wahrend des Krieges von den faschistischen „Pfeilkreuzlem“ verhaftet und eingekerkert worden, nach der Machtergreifung der Kommunisten in Ungarn im Jahre 1948 kämpfte der Kardinal gegen die neue totalitäre Diktatur. Am 8. Februar 1949 wurde Joszef Mindszenty nach einem Schauprozeß stalinistischen Musters mit gefälschten Beweisen wegen „Hochverrates, Spionage, Bedrohung der Sicherheit des Staates und Devisenvergehen“ zu lebenslänglichem Gefängnis verurteilt.

Die Revolution des Jahres 1956brachte ihm kurz die Freiheit, und vor den einrollenden sowjetischen Panzern flüchtete er dann in die amerikanische Gesandtschaft, wo er 15 Jahre lang Asyl fand.

Der unbeugsame Gefangene aus der Zeit des Kalten Krieges war dann eine ständige Verlegenheit, als das politische Tauwetter einsetzte und als der Vatikan seine Beziehungen mit dem Osten verbessern wollte. Mindszenty, der Bekenner, war ein Schrecken aller Diplomaten. „Halsstarrig, naiv und weltfremd “ sind noch die harmlosesten Attribute, mit denen er bedacht wurde.

1971 kam er aufgrund einer Vereinbarung zwischen dem Vatikan und der Regierung Kdddr nach Wien, wo er im ungarischen Priesterkolleg „Paz- maneum“ wohnte und dort als 84jähriger starb. Begraben liegt er in der Basilika von Mariazell. Zu seinem Begräbnis Mitte Mai 1975 kamen auch Tausende Exilungam aus aller Welt.

Bevor Mindszenty sich in Wien niederließ, wurde er in Rom von Papst Paul VI. empfangen und als „Bekenner und Märtyrer unserer Zeit“ gewürdigt. Als Datum seiner Einreise nach Österreich hatte er den 15. Jahrestag des Beginnes des Volksaufstandes 1956gewählt, und als er Anfang 1974 als Erzbischof von Esztergom und Primas von Ungarn abberufen wurde, legte sich der 83jährige auch noch mit Rom an und betonte, daß es sich nicht um eine freiwillige Abdankung handle.

Lebende Märtyrer sind oft ein Ärgernis. Die Rehabilitierung Mmdszentys würde vielleicht auch zu einer Rehabilitierung abgewerteter Begriffe wie Treue und Bekenntnis beitragen.

Errata: In Kurt Wimmers Glosse in Nummer 28 vom 14. Juli lautet der Beginn des ersten Absatzes natürlich: Er galt als der Erbauer der „fröhlichsten Baracke im östlichen Lager". Wir bitten Autor und Leser um Entschuldigung.

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