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Mindszenty

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Nun hat der Primas von Ungarn, Kardinal Mindszenty, doch seine Heimat und sein Asyl in der US-Botschaft in Budapest verlassen.

Der Primas von Ungarn hat seine Heimat sicherlich nur ungern verlassen. Es war sein Wunsch gewesen, in seiner Heimat zu sterben. Und es war sein Wunsch gewesen, daß er nicht begnadigt, sondern voll rehabilitiert werde, wie es zahllosen Kommunisten, darunter dem Innenminister Rajk, der seinerzeit Mindszenty verhaften ließ, und der 1949 selbst verhaftet und hingerichtet wurde, widerfuhr. Dieser Wunsch nach voller Rehabilitierung wurde nicht erfüllt. Im Gegenteil, als er schon Ungarn verlassen hatte, wurde seitens der ungarischen Regierung verkündet, daß er amnestiert worden sei. Hier hat die ungarische Diplomatie sichtlich, die vatikanische Diplomatie überrundet.

Immer wieder hatte die ungarische Regierung darauf hingewiesen, daß das Verbleiben des Kardinals in Ungarn ein Hindernis- für die Verbesserungen der Beziehungen zwischen der katholischen Kirche und dem ungarischen Staat darstelle. Die Kirche hat diesen Standpunkt zur Kenntnis genommen und daraus die Konsequenzen gezogen. Auf die Bitten des Papstes, die natürlich keineswegs irgendwelchen Zwang darstellten, hat Kardinal Mindszenty das „schwerste Kreuz seines Lebens“ auf sich genommen und seine Heimat verlassen, ohne daß er rehabilitiert worden wäre. Denn die Amnestierung bedeutet, daß die Anklage des Verbrechens gegen ihn nach wie vor anerkannt ist, daß er nur von den Folgen der Bestrafung befreit wurde. Damit ist einer endgültigen Rückkehr des Kardinals nach Ungarn der Weg abgeschnitten. Und nur insofern wurde sein Gesicht gewahrt, als er weiterhin de jure Erzbischof von Gran und Primas von Ungarn bleibt.

Allerdings stellt diese Reise des Kardinalprimas aus Ungarn gleichzeitig ein großartiges Treuebeispiel eines Kirchenfürsten gegenüber dem Pavst dar. Denn obwohl sich Mindszenty völlig bewußt war, daß die Kirche durch seine Abreise aus Budapest sich eines erstklassigen Faustpfandes begab, obwohl es sein berechtigter Wunsch war, rehabilitiert zu werden, und obwohl es seine begreifliche Sehnsucht war, in Ungarn zu sterben, genügte es ihm, daß der Papst in sehr vorsichtigen Worten den Wunsch durchblicken ließ, er möge Ungarn verlassen. In der heutigen Zeit, da Kapläne, Theologen, Bischöfe und sogar Kardinale, wie etwa Suenens von Mecheln, in oft sehr harten Worten gegen den Papst sprechen und sich zu einer Haltung hinreißen lassen, die oft schon fast einem Aufruhr und fast einer Rebellion gegen das Oberhaupt der Kirche gleichkommt, bietet die Haltung des ungarischen Kardinalprimas ein erhabenes Beispiel der Treue in den Wirrnissen dieser Zeit, die die Kirche durchlebt.

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