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Entmythologisierung

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Die ungarische Volksdemokratie bemüht sich nicht nur seit Jahren um die Herausgabe der heiligen Stephanskrone durch die Amerikaner, sie bemüht sich jüngstens auch um die Ernennung eines in Ungarn residierenden ungarischen Kardinals durch den Vatikan.

Bekanntlich gilt der im Wiener Exil lebende Primas Hungariae, Kardinal Jözsef Mindszenty, den gläubigen ungarischen Katholiken (und nicht nur diesen!) als das rechtmäßige Oberhaupt der katholischen Kirche in Ungarn (und mehr). Daß das Regime sich daher bemüht, den Mindszenty-Mythos aus der Welt zu schaffen, ist nur zu begreiflich.

Es ist allerdings ein Unterfangen, als wollte man in Österreich den Andreas Hofer abschaffen...mehr die Devisenlage verantwortlich^ gemacht. Immerhin werden aber einige Zehntausend aus der CSSR in diesem Jahr nach Jugoslawien fahren können — freilich, ohne ihre geflüchteten Angehörigen dort zu treffen. Trotz entgegenstehender Beteuerungen der jugoslawischen Behörden steht nämlich neuerdings wieder zu befürchten, daß Flüchtlinge ausgeliefert werden...

Ausgerechnet Polen hat auf die westlichen Vorhaltungen in Helsinki besonders allergisch reagiert und auf die angeblich 200.000 Touristen hingewiesen, die im vergangenen Jahr in den Westen fuhren. Diese Zahl ist nicht zu widerlegen, aber trotzdem unglaubhaft. An den entscheidenden Grenzübergängen in Osteuropa ergaben Gespräche mit polnischen Touristen, daß diese fast ausschließlich an den Balaton und ans Schwarze Meer fuhren. Dort sah man sie denn auch tatsächlich wieder. Weder fuhren sie bei Bratislava nach Österreich, noch bei Varazdin aus Ungarn nach Jugoslawien. Außerdem bezeugen die gefahrvollen Fluchtwege — über das Meer nach Skandinavien, auf Schleichwegen durch halb Osteuropa in die Bundesrepublik — nicht gerade zunehmende Freizügigkeit.

Rumänen haben es nicht besser. Theoretisch kann jeder alle zwei Jahre einen Antrag auf Westreise stellen. Das ist aber wirklich blasse Theorie. Denn erstens besitzen nur die wenigsten Rumänen einen Wagen, zweitens darf niemals eine Familie gemeinsam ausreisen, es müssen zumindest die Kinder zurückgelassen werden, und drittens ist die Ausstattung mit Devisen so lächerlich gering, daß die Touristen ohne helfende Freunde im Westen eben gerade ihr Benzin bezahlen können. Dabei haben gerade Rumänen, ohne jedes Fenster nach dem Westen und entsprechend minimale Chancen für eine illegale „Reise“ — vor allem, nachdem mehrere Fälle bekannt wurden, in denen Flüchtlinge von jugoslawischen Grenzposten unter Feuer genommen wurden — besondere Sehnsucht nach einem Visum.

Ungarn und die CSSR mit ihren verhältnismäßig langen Westgrenzen hätten schon längst das Beispiel der

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