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Warten auf den roten Fiat

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Die Zahl der Privatautos in Ungarn ist in zwölf Jahren enorm angestiegen. Während kurz nach dem Volksaufstand, das heißt Ende 1956, nur 2500 private Personenautos zugelassen waren, wurden Anfang 1968 schon etwas mehr als 126.000 registriert. Dennoch konnte die Nachfrage nicht zufriedenstellend erfüllf werden. Am Anfang dieses Jahres waren 18.000 Aspiranten vermerkt, ihre Zahl ist bis Ende September auf 33.000 angewachisen, obwohl indessen kontraktmäßig 17.000 Automobile für die Einfuhr angekauft waren, wobei die kapitalistischen Länder zwangsweise sehr schlecht abgeschnitten haben. Aus westlichen Ländern wurden insgesamt nur 1500 Personenautos zugelassen, aus den östlichen, sogenannten „sozialistischen Staaten“ hingegen 15.500. Devisenmangel wurde als Grund angegeben, was eher als eine Ausrede zu betrachten ist, weil die Einfuhr aus dem Westen in erster Reihe aus wirtschaftspolitischen und politisch- propagandistischen Gründen gedrosselt, ja oft vollkommen unterbunden wird. Alle wollen nämlich westliche Autos.

Laut amtlicher Mitteilung kann das Publikum noch im Laufe dieses Jahres höchstens mit dem Import von 1000 bis 3000 Pkw rechnen, von denen nur maximal 500 aus Westeuropa stammen dürfen. Ein Kuriosum: kein einziger Wagen wird in der Bundesrepublik für den ungarischen Import angekauft. Noch paradoxer: im Jahre 1968 konnte die westdeutsche Autoindustrie keinen einzigen Wagen nach Ungarn exportieren. Infolgedessen kann man die Frage aufwerfen, ob die westdeutschen opferbereiten Annäherungsversuche sich rentiert haben. In der Autobranche bestimmt nicht!

Beziehungen entscheiden

Die Mehrzahl der eingefährten und noch zu importierenden Personenautos besteht aus ostdeutschen Wagen: Trabant und Wartburg. .

Der praktische Verkauf der ausländischen Wagen erfolgt nur durch die staatliche Firm „Merkur Perso- nalwageniverwertungsunternetaien“. prinzipiell in der Reihenfolge der Bestellungen, wobei bei den Zuweisungen politische und persönliche Beziehungen mitspielen. Die Käufer müssen beim Geldinstitut OTP im voraus einen größeren Vorschuß bezahlen. Seit Anfang dieses Jahres wurden Bestellungen auf westliche Automobile überhaupt nicht entgegengenommen, mit der Begründung, daß die Realisierung solcher west liehen Lieferungen unsicher und tagtäglich neuen Bedingungen unterworfen sei.

Die ungeduldigen Autoaspiranten werden damit vertröstet, daß eine nennenswerte Verbesserung in der Belieferung des ungarischen Marktes wahrscheinlich nach 1970 zu erwarten sei, da man nachher mit der Einruhr von „roten Fiats“, die in der Sowjetunion fabriziert werden, rechnen dürfe.

Bis vor kurzem war eine gewisse „Selbsthilfe“ erlaubt. Gebrauchte „Geschenkwagen“ durften aus West europa mit einem geringeren Zoll importiert werden. Zugegeben: viele falsche „reiche Onkels aus dem goldenen Westen“ sind darauf spekulativ in Aktion getreten, die nebst der wenigen, wirklich geschenkten Autos eine Menge von alten Autos in München, Wien und Zürich bei den Gebrauchtwagenhändlern angekauft und als fiktive „Geschenkautos“ mit erheblichem Gewinn nach Ungarn weiterverkauft hatten.

Gelbe Balkaninvasion

Dagegen geht aus einer Meldung der japanischen Nachrichtenagentur Kyodo hervor, die von „Magyar Hir- lap“ in Budapest bestätigt wurde, daß das Büro des ungarischen Handelsrats bei der ungarischen Botschaft in Tokio eine der größten Autofabriken des Landes, die „Nissan Motor Co.“, ersucht hatte, eine große Montagefabrik in Ungarn zu errichten. Im Donaufreihafen Csepel wurde den Japanern ein entsprechendes Grundstück angeboten.

Die Japaner haben das ungarische Angebot mit größtem Interesse studiert und sind darauf eingegangen, da sie erhoffen, von Ungarn aus den Automarkt Rumäniens, Bulgariens und Jugoslawiens ebenfalls leichter erobern zu können.

Daß Ungarn gerade die genannte Autofabrik haben möchte, ist allein auf den Umstand zurückzuführen, daß dieses Unternehmen die fortgeschrittenste Technologie in der Erzeugung von geschlossenen Personenautos anwendet.

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