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Columbus

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Daß sich Simon Wiesenthal nicht nur mit der Geschichte der nationalsozialistischen Verfolgung auseinandergesetzt hat, beweist sein Buch über Christoph Columbus, das bereits 1984 erstmals erschienen ist.

Wiesenthal ist davon überzeugt, daß Hitler mit der Shoa nichts Neues erfunden hat, sondern daß er den jahrhundertealten Judenhaß „nur" mit den modernen technischen Möglichkeiten der industriellen Vernichtung zu verbinden brauchte. Spanien, von wo die Juden 1492 vertrieben wurden, hat die Gesetze des reinen Blutes erfunden, die Vorgänger des Ariernachweises, wie Wiesenthal sie nennt. Dort wütete auch die Inquisition, dieser echte „Rückfall ins Heidentum" und „Kult der Menschenopfer'', die „tausendmal so viele Opfer gefordert" hat „wie Kaiser Nero". So entstanden die Marranen, die Zwangsgetauften, die in ihrer tiefen Liebe zum Judentum die alten Riten heimlich und limitiert ausübten und deren „Rückfälle" ihnen bei der Inquisition oft zum Verhängnis wurde.

Wiesenthal schildert ausführlich diesen geschichtlichen Hintergrund der berühmten Expedition des Co-lumbusvon 1492, im Jahr der Vertreibung der Juden. Aber Columbus, der von der Kirche beinahe heiliggesprochen worden wäre, wurde von Juden und von getauften Juden unterstützt, nahm keinen Priester mit auf sein Schiff und sein Glaube war „ein Amalgam aus Judentum und Christentum".

Seine Hoffnung war es, die Länder der verlorenen jüdischen Stämme wiederzufinden, wofür er auch einen Dolmetscher für hebräisch mitnahm. Das alles sind Indizien fürdie Theorie, daß Columbus den verfolgten Juden nicht so fem stand, wie man bisher immer annahm, ja vielleicht sogar selbst jüdischer Abstammung war. Wiesenthal hat in der Bibliotheca Columbina in Sevilla, wo die Manuskripte des Entdeckers aufbewahrt werden, jahrelange Forschungen unternommen.

Das Buch spart weder mit Vergleichen mit dem Dritten Reich noch mit Kritik an der katholischen Kirche, die „nach so vielen Jahrhunderten keines der gemarterten, der unschuldig verurteilten Opfer der Inquisition rehabilitiert" hat, und sogar Isabella von Kastilien, die maßgeblich hinter der Vertreibung der Juden stand, heiligsprechen wollte. Wiesenthal liegt aber nicht nur das Schicksal seines Volkes am Herzen, denn im neuen Vorwort plädiert er vehement für ein internationales Hearing über die Indianer.

SEGEL DER HOFFNUNG. Christoph Columbus auf der Suche nach dem gelobten Land. Ullstein Verlag, Berlin/Frankfurt 1991, 251 Seiten, öS 265,20.

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