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Der Friedländer

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Der „Friedländer“, der berühmte kaiserliche Generalissimus des Dreißigjährigen Krieges, ermordet 1634 in Eger, ist eine jener Gestalten der Geschichte, die Dichter und Historiker nicht zur Ruhe kommen lassen. Seit seinem Tod kam eine Unzahl von Schriften, Büchern und Dichtungen über das Leben und Sterben dieses merkwürdigen Menschen heraus. Bekannt ist Schillers Trilogie über Wallenstein und nicht minder bekannt sind die großen Werke des Wiener Historikers Heinrich Ritter von Srbik und des Prager Geschichtsforschers Josef Pekaf, die beide ihr wissenschaftliches Leben mit Werken über Wallenstein begannen und beendigten. In unseren Tagen hat Golo Mann, von seinem Vater her „belastet“ mit außerordentlicher schriftstellerischen Begabung, von Beruf aus Historiker und Universitätsprofessor, ein großes, tiefschürfendes Werk über Wallenstein geschrieben. Nun ließ er dieser umfangreichen schriftstellerischen Darstellung auch noch einen Bildband folgen, der in wirklich einmaliger Weise sein großes Werk ergänzt. In vielen größtenteils farbigen Bildern wird hier das Leben des Friedländers plastisch dargestellt. Da sieht man eine genaue Karte des Herzogtums Friedland, jenes kleinen Stückes /von Nordböhmen, zu dem auch Reichenberg gehörte, das durch das Organisationstalent des Friedländers zum eigentlichen Armeelieferanten der kaiserlichen Partei des 30jährigen Krieges wurde. Der Fleiß und die Betriebsamkeit, die Nordböhmen bis in unsere Zeit auszeichnete, geht im Grunde auf diese Wallensteinische Zeit zurück. Da sieht man in vielen Bildern Git-schin, die Hauptstadt dieses kleinen Herzogtums mit seinem schönen Marktplatz (in einem der Häuser dieses Marktplatzes wurde Karl Kraus geboren), das Schloß, das sich Wal-lenstein errichten ließ und die große Kirche, die er baute und die unvollendet bis heute blieb. Da sieht man den großen Palast, den der Friedländer sich in Prag errichtete und der einer der schönsten und größten Paläste dieser an Schlössern so reichen Stadt ist. Da yjird das Pachel-bische Haus in Eger gezeigt, in dem Wallenstein ermordet wurde. Viele Porträts geben nicht nur den Fried-länder, sondern auch seine Eltern, seine Frau, seine Zeigenossen, seien sie Verbündete oder Geigner, wieder. Da ist der Astrolog Seni zu sehen, Kardins»! Harrach von Prag, der berühmte Graf Trfika (bei Schiller Terzky genannt), der Aldringer, der sächsische Feldmarschall und Staatsmann Arnim, den Pekaf als den eigentlichen Gegenspieler Wallensteins entdeckte; da sieht man das Schlachtfeld vom Weißen Berg und von Lützen; die Stadt Stralsund, die Wallenstein vergeblich zu erobern versuchte; das Schloß Güstrow in Mecklenburg wird gezeigt, der Herrschersitz des Friedländers als Herzog von Mecklenburg. Da wird ein Brief Wallensteins an den General Pappenheim wiedergegeben, der in der Schlacht bei Lützen fiel und dessen Blut diesen Brief durchtränkte. Da sieht man die Gräber der Eltern Wallensteins und schließlich die eigene und letzte Ruhestätte des Friedländers in Münchengrätz, das der Nachkomme Wallensteins zu seinem 300. Todestag in wurdevoller Einfachheit errichten ließ und das noch einmal sämtliche Titel des Friedländers, angefangen von seiner mecklenburgischen Herzogswürde, aufzählt. Aber Golo Mann ging noch weiter, er wanderte nicht nur mit seinem Photographen Ruedi Blig-genstorfer alle diese Gedenkstätten des Friedländers durch, sondern schrieb noch seine Erlebnisse, seine Gespräche, die er bei dieser Wanderung erlebte, dn einem kurzen, schlichten, aber, wie nicht anders zu erwarten, geschliffenen Kommentar nieder. Das Buch zeigt durch die Bilder und den Kommentar, was einst Wallenstein war und was heute von all dieser Pracht und Herrlichkeit geblieben ist. Vergangenheit und Gegenwart stehen einander gegenüber. Die Vergangenheit aber ist so- stark, daß die Gegenwart an ihren Zeugen nicht vorübergehen kann. Jeder Freund der Geschichte, jeder spezielle Kenner Wallensteins und Böhmens wird zu diesem Buch greifen müssen.

WALLENSTEIN. Bilder zu seinem Leben. Von Golo Mann und Ruedi Bliggenstorfer. S.-Fischer-Verlag, Frankfurt. 1SS Seiten, 145 Abbildungen. DM 48.-—.

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