6877882-1978_49_13.jpg
Digital In Arbeit

Wallenstein - außer Spesen wenig gewesen

Werbung
Werbung
Werbung

Es gibt Gestalten der Geschichte, bedeutend und zugleich rätselhaft, die, immer wieder als Thema aufgegriffen, in Büchern - häufig in Form einer „biographie romancee“ - Theaterstücken und Filmen gleichsam Dauerbrenner des öffentlichen Interesses sind. So etwa der seltsame Pestarzt, Hofmedicus und Wahrsager Michel Nostradamus (1503-1566) in Frankreich oder Albrecht Wenzel Eusebius von Waldstein (Wallenstein), der böhmische Condottiere (1583-1634), Generalissimus des Kaisers Ferdinand II., im deutschsprachigen und „böhmischen“ Bereich.

Erscheinen über Nostradamus alljährlich immer wieder Bücher und Neudrucke seiner „Propheties“, zerbricht man sich den Kopf über sie und versucht, sie mit der Zukunft in Einklang zu bringen, so entzündet sich bei Wallenstein ein dauerndes Interesse vor allem an der jahrhundertealten Frage „Verräter am Kaiser oder nicht“ bzw. „zum Verrat Getriebener“ (so etwa eher in Friedrich von Schillers großartiger Trilogie).

Obwohl der große tschechische Historiker Josef Pekaf in seinem zweibändigen „Wallenstein 1630-1634, Tragödie einer Verschwörung“ (Berlin, A. Metzner 1937) als Ergebnis eines Lebenswerkes ein für allemal -quellenmäßig untermauert - jene Forscher rehabilitierte, die Wallen-steins Verrat am Kaiser (vornehmlich um Rache für seine Absetzung 1630 zu üben und als nationaler Böhmenkönig wie einst Georg von Podiebrad ins Grab zu steigen) vertraten, so hat Wallenstein doch auch wieder Verteidiger gefunden. Dazu zählen Hellmut Diwald und seit 1971, freilich maßvoller, auch Golo Mann. Seine „biographie romancee“ („Wallenstein, Sein Leben erzählt von Golo Mann“, 1177 Seiten) wurde ein großer Erfolg und ist etwa mit Ricarda Huchs Prosawurf „Der große Krieg in Deutschland“ (1912) zu vergleichen. Golo Manns Weg, den, wie er sagt, „schwer bestimmbaren Charakter“ Wallensteins durch eine Tiefschwärzung seiner Feinde, wie Picco-lomini, Aldringen, Gallas z. B., bestimmen zu wollen, führt freilich nicht zum „wahren“ Wallenstein, der vor allem aus sich selber beurteilt werden muß, sondern zu seiner teils offenen, teils indirekten Reinwaschung. Das aber entspricht den Forschungsergebnissen, insbesondere jenen Josef Pekars, den er geringschätzig abtut, nicht.

Golo Mann dreht die Dinge teilweise wieder ins 19. Jahrhundert zurück. Wallensteins Ende wird wieder ein „Mord“, indes es doch eine „mörderische Exekution“ war (so bei Georg Wagner: „Wallenstein - Der böhmische Condottiere“, Wien 1958, S. 10, 221). Am 25. Februar 1634 in Eger handelte es sich in mörderischer Form doch um eine Hinrichtung, war er doch in geheimer Sitzung in Wien unter Vorsitz des Kaisers unter Beisein selbst ehemaliger Freunde Wallensteins wie des Fürsten Hans Ulrich von Eggenberg verurteilt worden - und dies auf Grund seiner kon-spiratorischen Handlungen, nämlich dem Plan, sich mit den Sachsen und Schweden zu einem Zug gegen Wien mit dem kaiserlichen Heer zu vereinigen etc.

„Einbringen: lebendig oder tot“ hieß der Befehl. Lebendig war dies inmitten seiner Truppen in Eger aber nicht möglich, daher das mörderische Vorgehen von Butler, Leslie und Gordon!

Golo Mann hat freilich Wallensteins Friedenswollen am Ende - es wäre ein egoistischer, seinen Höhenflug erfüllender Friede gewesen - wieder indirekt idealisiert (so auch das Ende des TV-Films!), obgleich er den Em-porkömmling, den Condottiere, skrupellos genug geschildert hatte. Übrigens tat dies auch Schiller in sei-

ner „Geschichte des Dreißigjährigen Krieges“ (Leipzig, 1802).

Nach einer lang ausgesponnenen Erzählung der Verräterpsyche und Verrätereien des Herzogs äußert Golo Mann in einigen Zeilen Zweifel: die Federn seien nicht getreu, die uns Wallensteins Bild vermitteln. Dennoch vermag er das über 50 Seiten lang entworfene schwarze Bild nicht mehr umzustoßen.

Auch der Dramatiker Schiller hatte längst Wallensteins Charakterverderb im Verlauf seines Aufstiegs erkannt, wie dies sein Briefwechsel bei der Arbeit an seiner „Wallenstein“-Trilogie zeigt. Er mußte die „grobe“ Art dieses Mannes, wie er zugibt, „idealisieren“! Allerdings hat er Wallensteins Seelenlabyrinth in den Monologen auf „höherer Ebene“ intuitiv großartig ausgelotet, wenngleich er ihn eher als einen von den Gegnern zum Vollzug des Verrats Getriebener zeichnet.

Hätte man doch jetzt um das viele investierte Geld Schillers „Wallen-stein“-Trüogie unter Einverarbei-tung von dynamischen Szenen, die man auf dem Theater nicht zeigen kann, verfilmt - das wäre wohl zielführender gewesen! Aber so? Der Spektakel-Vierteiler (19., 22., 26., 29. November) zeigte zwar bemühte Schauspieler in oft porträtgetreuer Maske (Wallenstein: Rolf Boysen, Ferdinand II.: Romuald Pekny), war aber wenig mehr als ein historischer Kostümbüderbogen, und selbst als solcher verwirrend und enttäuschend. Aber nun im einzelnen:

Das Werk Golo Manns war der Anlaß, das Thema fernsehfilmisch aufzugreifen. Der im Auftrag von ZDF, ORF, und SRG von der „Bavaria Atelier“ in München hergestellte Film heißt zwar „Wallenstein nach der-Biographie von Golo Mann“, zugleich aber erfahren wir: „Wallenstein, für das Fernsehen erzählt von Leopold Ahlsen“. Es erhebt sich die Frage: Wer von beiden hat also im Rahmen des Filmes „Wallenstein“ was erzählt? Wer kam zu Wort?

Diese Frage steht im Raum, denn für die vorgebrachten Texte mußte man sich nicht auf Golo Mann berufen. Sie hätte man auf Grund irgendeines mittelprächtigen Wallenstein-Buches, etwa des bei Velhagen & Klasnig 1898 erschienenen „Wallenstein“ von Hans Schulze, erstellen können. Nur wenig ist eingeflossen von Golo Mann. Das Produkt rechtfertigt in keiner Weise die Kosten für diese Verfilmung, nämlich „an die 60 Millionen Schilling. Damit ist das die teuerste Produktion im deutschspra-

chigen Raum. ... Regisseur Franz Peter Wirth ließ sich nicht von kleinlichen Krämern an einer großzügigen Realisation hindern. 176 Schauspieler wurden eingesetzt...“ („Kurier“, 19. November 1978).

Man drehte an den Schauplätzen, nicht zuletzt in Böhmen. Man erzeugte zwar immer wieder schöne bewegte Bilder, Einzelszenen und Massenszenen mit kostbaren Exterieurs und Interieurs, auf Schlössern (Hradschin; Wallenstein-Palais in Prag; Gitschin, Friedland; Wiener Hofburg; Münchner Residenz; Güstrow in Mecklenburg; Regensburg; Eger etc.), in Wald und Feld, bei Sonne und nachts bei Fackelschein, Regen und Sturm; im Sommer und im Winter.

Man zeigte einen Wallenstein mit Freunden und Gegnern, mit Frau Isabella von Harrach, die ihn liebt. Der Emporkömmling ist tüchtig, skrupellos. Er gebärdet sich vernünftig und unvernünftig, als ausgezeichneter Ökonom und Landesvater von Friedland, dann wieder räsonnierend und vielfach zu Unzeiten brüllend und schreiend, in einem zu raschen Alterungsprozeß gichtisch dahinsiechend und schließlich lallend, mit Sprechschwierigkeiten, als ob er alle Zähne verloren hätte!

Besonders im vierten Teil läßt die im dritten Teil zeitweise aufkommende Spannung (er treibt seinen Bankier Hans de Witte in den Tod) unbegreiflich nach, obwohl hier Ereignisse, die man nur kurz und in wenigen Worten und Bildern antippte, dazu die Möglichkeit geboten hätten. Auch die Absetzung in Regensburg ist schwach. Von den Kriegshandlungen hört man fast gar nichts mehr. Der Waffenstillstand von Heidersdorf (1633) wird ausgesponnen, das Warten auf den sächsischen Feldhauptmann Armin bis zur Tötung Wallensteins übermäßig strapaziert. Aber dafür wird die Gefangennahme der Erzrebeilen Matthias Thum bei Steinau an der Oder und seine sofortige Freilassung, was den Wiener Hof empörte, unterschlagen. Der Pilsener Schluß wird unrichtig dargestellt. (Versuch, das Heer dem Kaiser abspenstig zu machen.)

Selbst bei der Ermordung der Wal-lensteinschen Getreuen auf der Burg zu Eger (wobei Wilhelm Kinsky fehlte!) gab es einen eher farblosen Tumult, wobei man die Degenszene vermißte: Adam Trcka, fechtend wie ein Löwe, fast unüberwindlich! Bei Wallensteins Tod merkte man endlich, daß die TV-Filmer Golo Mann gelesen hatten, da dieser - nach Hein-

rieh von Srbiks Forschungsergebnis - Wallenstein nicht schweigend, sondern durch ein gehauchtes „Ah, Quartier“ (was einer Bitte um Gefangennahme entsprach) unter der Wucht des Partisanenstoßes dahin-sinken läßt

Den einfachen Zuschauern, die nicht viel von Friedländer wissen, wurde weder mehr Wissen vermittelt (hätte man doch vor jedem Teil eine Zeittafel von Wallensteins Aufstieg und schließlich Niedergang abrollen lassen!), noch echte Spannung. Für Historiker war die Sache viel zu ungenau, vieles zu sprunghaft, trotz karger Verbindung der Worte. Zu lange ausgesponnen, wo Kürze am Platz gewesen wäre, dort zu flüchtig, wo Wichtiges eindrücklicher vonnöten gewesen wäre.

Personen werden breit eingeführt, von denen man später kaum mehr etwas hört, z. B. Tüly! Großereignisse, wie etwa die Verteidigung seines genial angelegten Lagers bei Zirndorf (Nürnberg) gegen Gustav Adolf von Schweden, der sich beim Angriff die „Hörner abstieß“, aber auch die welthistorische Schlacht von Lützen (16. November 1632), in der Gustav Adolf fiel, werden nicht als Ereignisse präsent, sondern nur mit einigen Sätzen und dem einen oder anderen Bild abgetan. Das Strafgericht Wallensteins an den bei Lützen feigen Offizieren (1633), das seine Strenge, ja Grausamkeit bezeugt („Galgensteiner“, „Henkerherzog“) wurde überhaupt ausgelassen.

Auch Höhepunkte der Kaisermacht und Wendepunkte des Schicksals fehlten völlig, so die mißglückte Belagerung von Stralsund (1628), indes doch, worauf schon Leopold Ranke verwies, die gleichzeitige Belagerung des hugenottischen La Rochelle gegen eine englische Flotte von Richelieu durchzo-

Photo: ORF

gen wurde, wodurch die französische Zentralmacht siegte und das Reich endgültig dem Partikularismus verfiel.

Auch der Umstand, daß Wallenstein seinen einzigen Erben Albrecht Karl im Alter von zwei Monaten am 13. Jänner 1628 verlor, wird nicht erwähnt. Gerade dadurch verhärtete er sich fatal.

Zu alledem kommen noch die Verstöße gegen Sitten und das Hofzeremoniell und andere Fehler. So handelt z. B. vor versammelten Hofstaat der Kaiser mit Wallenstein den Titel „Generalissimus“ aus (1625). Der Kaiser (seit August 1619) war seit 1617 böhmischer König, wird jedoch anstatt mit „Majestät“ mit „Durchlaucht“ (1618/19) angesprochen, obr wohl man ihn vor 1617 als „Erzherzogliche Durchlaucht“ hätte titulieren müssen.

Im Zelt bei Zirndorf (Nürnberg) bleut Wallenstein dem Kurfürsten Maximilian, seinem Gegner, der wesentlich hinter seiner Absetzung (Regensburg, 13. August 1630) gestanden war, brüllend den Sinn seiner Ermattungsstrategie gegenüber Gustav Adolf ein. (Wie sich der Maxi das so vorstellt!)

Besonders mißverständlich: Man behauptet (1619), Ferdinand II. habe in seiner Not „alle seine Länder“ an seinen Vetter Maximilian von Bayern verpfändet i(Eggenberg interveniert dagegen): Das geschah nur theoretisch; de facto nur Österreich ob der Erms (bis 1928). Unbegreiflich ist, daß nur Maximilian und Tilly am Weißen Berg vor Prag (8. November 1620) siegen und das kaiserliche Korps unter Boucquoy völlig unterschlagen wird. Noch manches wäre anzuprangern.

Die Frage erhebt sich: warum hat man nicht einem Historiker der Münchner Universität den Text zuerst zu lesen gegeben? Es wurden doch Millionen investiert! Die größte Diskrepanz entstand wohl dadurch, daß man Wallenstein „nach der Biographie von Golo Mann“ und zugleich „erzählt von Leopold Ahlsen“ präsentieren wollte. Von Golo Manns Kunst der atmosphärischen Zeitschilderung war nichts zu spüren. Eine große Chance wurde insgesamt vertan. Die hohen Aufwendungen -man wird kaum etwas einspielen können, während z. B. die Aufwendungen für die Babenberger Ausstellung 1976 zu fast 90% hereinkamen -erscheinen ungerechtfertigt.

Die Gestalt Wallensteins freilich wird immer von Interesse bleiben und tragisch anmuten. Er hat als Generalissimus des Kaisers, der ihn überreich belohnte, Österreich und den Katholizismus gerettet, dann aber durch seinen Verrat seine eigenen Verdienste wieder aufgehoben. Er wollte mit den gesammelten Heereskräften - dem veruntreuten kaiserlichen Heer, mit Sachsen, Brandenburg und mit Hilfe der Franzosen und Schweden - gegen Wien ziehen und, wie er sich einmal ausdrückte, das Haus Österreich „ausrotten“ (vgl. Pekar, I, 696).

Dennoch bleibt er in letzter Wesenstiefe rätselhaft, in seinem Seelenzwiespalt wohl unauslotbar.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung