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Eine große Ausstellung in Prag zeigt die historische Persönlichkeit.

Wie fasst Gert Voss den Wallenstein auf? Hat Thomas Langhoff Schiller richtig verstanden? Wie unterschiedlich die Fragen der Österreicher im Vergleich zu jenen der Tschechen sind, wenn die Rede auf den Generalissimus kommt, zeigt eine Ausstellung in Prag, die bis Mitte Februar zu sehen ist. Hier geht es primär nicht um den Repräsentanten einer bestimmten Denk- und Verhaltensweise, sondern um die historische Persönlichkeit. Schon im Vorfeld wurde darauf hingewiesen, dass eine sudetendeutsche SS-Division den Namen "Wallenstein" getragen habe, und im Faltblatt wird daran erinnert, dass in den Augen der frühen tschechischen Nationalbewegung der Feldherr ein Verräter war, weil er nicht böhmischer König werden wollte.

Prager Perspektive

Auch Initiator und Ort der Exposition legen von vornherein einen anderen Zugang zum Thema nahe als im Wiener Burgtheater: Der im Palais Waldstein tagende Senat der Tschechischen Republik hat sein zehnjähriges Bestandsjubiläum zum Anlass genommen, dem Feldherrn eine große Ausstellung in der Reitschule am anderen Ende des Gartens zu widmen. Die offensive Medienarbeit der Veranstalter zielt erklärtermaßen darauf ab, die zweite Kammer des tschechischen Parlaments, die mehr noch als der österreichische Bundesrat ein Mauerblümchendasein fristet, im Bewusstsein der Wähler zu verankern.

Da wäre es natürlich kontraproduktiv, den Namensgeber des Senatssitzes zu verunglimpfen. Viel eher werden Wallensteins positive Eigenschaften hervorgekehrt. So heißt es in einer Aussendung, er sei ein "guter Investor" gewesen und habe mit seinem Vermögen Krankenhäuser gegründet. Eines der Ziele der Schau sei es aufzuzeigen, "dass in einer derart dramatischen Zeit wie jener des Dreißigjährigen Kriegs einige Teile der böhmischen Länder sich unter aufgeklärter Führung wirtschaftlich, geistig und künstlerisch entfalten konnten", und Bürgermeister Pavel Bém rühmt Wallenstein dafür, dass Prag "fünfzehn oder vierzehn Jahre nach der Schlacht auf dem Weißen Berg in relativer Würde überlebt" habe.

Was für Österreicher unverfänglich erscheinen mag, ist es in tschechischen Augen nicht. Denn dass nach der Niederlage der Stände im Jahr 1620 in Böhmen noch kulturelles Leben bestanden habe, widerspricht der nationalen Doktrin von der "Finsternis" nach diesem traumatischen Datum. Auch in den Wandtafeltexten, die von den Besuchermassen mit auffälliger Ausdauer studiert werden, finden sich solche Akzente, wenn etwa Wallenstein nicht plump als Repräsentant der Gegenreformation apostrophiert wird, sondern letztlich als Pazifist, der auch nach seiner Konversion zum Katholizismus den Protestanten Johannes Kepler protegiert habe.

Grober Größenwahn

Eine eigene Dimension fügen die räumliche Gestaltung und die Präsentation der Objekte hinzu. Dass man in dem engen Saal von den riesigen Gemälden fast erdrückt wird, macht den Größenwahn und die Gleichmacherei jener Zeit erst so richtig bewusst. Ein Zug zur Grobschlächtigkeit kennzeichnet die Porträts der Feldherren, die in ihrem Imponiergehabe einander derart gleichen, dass man Wallenstein von Piccolomini kaum unterscheiden kann. Auch die religiöse Malerei wurde vom Gigantismus und der Brutalität der Epoche erfasst, etwa wenn das Brustausreißen der heiligen Agathe derart drastisch vorgeführt wird, dass junge Besucher in ein schwer zu ertragendes Kichern ausbrechen.

Wallensteins Strategie

Wallenstein steht für den Durchbruch strategischen Denkens auf allen Ebenen der Gesellschaft und für die Globalisierung aller Lebensbereiche. Da liegt die Aktualität auf der Hand. Am stärksten bewusst wird sie einem beim Betrachten von Jacques Gallots berühmten "Misères et malheures de la guerre", von denen die Prager Nationalgalerie ihr Exemplar beigesteuert hat. Schon durch das winzige Format und die feine Strichführung kontrastieren die Radierungen mit den plakativen Großgemälden und werden daher leicht übersehen. Sie sind in erstaunlichem Ausmaß die Vorläufer heutiger Dokumentarfilme, in denen das Kriegselend bis hin zum lächerlichen Triumph des Siegers aufgezeigt wird.

"Diese Geschichte wiederholt sich ja permanent. Die Religion wird auch heute nur vorgeschoben, wenn es um Öl geht oder um irgendetwas anders", meint Thomas Langhoff zu seinem Wiener "Wallenstein" in der Presse; Schillers Drama sei auch ein Stück über "einen Feldzug neuen Typs, über die Kriegs-Maschinerie". Die phänomenale Prager Ausstellung, in deren Ehrenkomitee auch Arnošt (Ernst) Waldstein-Wartenberg aufscheint, liefert dafür die historischen Belege.

Albrecht z Valdštejna a jeho doba (Wallenstein und seine Zeit). Valdštejnská jízdárna (Waldstein-Reitschule) in Prag.

Metrostation Malostranská.

www.valdstejn.org

Bis 17. 2. tägl. 10-19, Do 10-21 Uhr. Eintritt Kc\0x02C7 140,- (ca. € 5,30).

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