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Der Regensburger Tag

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.....Ihr wißt, wie sehr an jenem “unglücksvollen Reichstag die Freiheit ihm gemangelt! — „Tod und Teufel: ich hatte, was ihm Freiheit schaffen konntet Nein, Herr!...“

Nicht darum allein schauen wir mit solcher Teilnahme zu bei der neuen Aufführung der Wallen-stein-Trilogie im Wiener Burgtheater, weil es ein Meisterstück deutscher Literatur ist, noch darum, weil große Künstler dabei mitspielen. Sondern darum, weil das Stück eine Aktualität ist. Für uns wenigstens, die wir noch in der Welt aufgewachsen sind, welche durch Wallensteins Taten und Tod geprägt war. So groß die Umwälzungen von 1806, von 1848 und 1918 auch waren — bis 1938 und 1948 traf der Blick noch überall auf Dinge, die in den Generalaten Wallensteins oder nach seinem Fall so geworden waren. Wir alle haben noch Paläste betreten, die 1634 zuletzt konfisziert worden waren; haben in Regimentern gedient, die unter Wallensteins Generalat formiert waren; haben Bildnisse hängen gesehen, deren Originale in Schillers Versen genannt werden. Und welches ist, die Krise von Wallensteins Leben? Der Regensburger Tag, welcher aus dem triumphierenden Diener der wiederhergestellten römisch-deutschen Monarchie den verbitterten Kondottiere machte, der sich verschwor: der Kaiser wird erkennen, daß er einen Kavalier beleidigt hat! — und nun besann sich der Herzog von Friedland auf all die Vettern, Schwäger, die in der Emigratton auf eine Wendung der Dinge harrten.

Dieses Interesse ist der eine Grund, welcher dem Büchlein Leser zuführen wird. Den anderen Grund liefert die deutsche Geschichte. Wie ist es gekommen, daß Deutschland so ganz anders gewachsen ist als andere Länder? Warum sind die spanischen, englischen, französischen Herzoge, die russischen Fürsten zu bevorrechteten Privatleuten, die deutschen und italienischen Fürsten zu Souveränen geworden? Seit langem freilich kennt man die Antwort. Frankreich hat von 1209 bis 1859 alles getan, damit in Deutschland und in Italien das Erbe Karls des Großen nicht zu politischen Einheiten werde. In Italien aber hat auch das Papsttum alles getan, damit der römische Kaiser dem römischen Papst nicht zu nahe trete. Dies sind die Konstanten. Und nun die Zufälle. Eben als Wallenstein den Kaiser zum wahren König in Germanien, damit aber zum Monarchen des Abendlandes und dann auch zum Befreier von Konstantinopel machen konnte, bekam Frankreich vom Schicksal seinen größten Staatsmann, „I'Altissime“, den Schöpfer des modernen Staates: Richelieu. Und eben damals saß auf Petri Stuhl der Todfeind der spanischen und der deutschen Österreicher — der französisch ausgerichtete Papst „papa gallo“: Urban VIII. Von katholischer Seite bot man also die katholischen Kurfürsten gegen Wallensteins KaiseTpolitik auf. Wallenstein wurde entlassen, „der Löwe von Mitternacht“ begann seinen Siegeslauf. Die monarchischen Pläne Ferdinands II. waren gescheitert.

Sie waren gescheitert in Deutschland; sie waren gelungen in Böhmen. Denn als derselbe Kampf in Böhmen ausgefochten wurde, da stellte sich Frankreich auf des Kaisers Seite — wider alle Vermutung. So siegte die absolute Monarchie auf dem Weißen Berg. — All das wird von Albrecht höchst deutlich und zutreffend ausgeführt und macht das Büchlein zum Ideal eines Wegweisers durch schwierige Fragen.

Und nun kommen dem Leser noch Gedanken zu diesem Bild aus vergangenen Tagen. Die Stände Böhmens hatten also doch wohl Grund gehabt zu ihrer Zuversicht, da die Stände Deutschlands nachher so nachdrückliche Hilfe fanden. Nur kam die große Wendung der Großmacht des Abendlandes für sie zu spät. Man braucht nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, wie Wallensteins Freunde in der Emigration sich immer wieder fragten: Warum hat Frankreich seine Macht, warum hat es die schwedischen Truppen erst für die deutsche Llbertät verwendet? Warum werden deutsche Kon-fiskate restituiert, warum irren nur wir fern von der Heimat? — Die ganzen, weitreichenden Folgen des Regensburger Tages sind in der vorliegenden Arbeit aufs Beste angedeutet; sie schließt sich dem „Aufstand in Böhmen“ von Sturminger in würdigster Weise an.

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