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Wo Friedlands Sterne strahlen ...

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WALLENSTEIN. General, Herzog, Verräter. Von Hein« Bieder. Verlag Styria, 1967. 80 Selten, Abb. S 188.—.

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WALLENSTEIN. General, Herzog, Verräter. Von Hein« Bieder. Verlag Styria, 1967. 80 Selten, Abb. S 188.—.

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Die Wallenstein-Literatur ist, nicht zufälligerweise, nur mit der Napoleon-Literatur zu vergleichen. Die Flut schwillt auch darum ständig an, weil immer wieder einer versucht, den Strom der fachmännischen Einzeluntersuchungen zu einem handlichen, übersichtlichen Buch zusammenzufassen. Ein solcher Versuch liegt hier vor uns. In der Tat hat der Autor die Wallenstein-Forschung der letzten Jahrzehnte verwertet. Es wird berichtet, daß des Feldherren Zaudern im Moment des Frontwechsels eine ganz bestimmte Ursache hatte: Sein Astrologe war bestochen. Es wird auch deutlich gemacht, daß die zwei Hauptkronzeugen — Piccolomini und Rašin — nicht ganz zuverlässige Berichte hinterlassen haben. Manches wurde für den gewissenhaften Kaiser, manches für das Publikum zurechtfrisiert: Man hätte allenfalls an den Anteil erinnern dürfen, den der Oberstkanzler Slawata an dieser „Sprachregelung“ hatte. Die ganze Arbeit empfiehlt sich dem Leser durch Klarheit und Anschaulichkeit; auch der nicht Vorgebildete erfährt hier das Wesentliche. Besonders ist zu loben, daß auch der Aufstieg — die Zeit vor dem Ersten Generalat — geschildert wird. Das Buch erfüllt seinen Zweck.

Die Kritik kann sich auf Einzelheiten richten. Bel den Bildern hätte man wohl besser getan, statt der Genreszenen von Callot — die einen anderen Krieg betreffen! — weitere zeitgenössische Bilder von Menschen und Orten des 30jährigen Kriegs zu zeigen — es gibt deren wahrlich genug. „Die nordböhmische Stadt Eger“ (S. 67) liegt 700 Jahre an des Landes Westecke. Was die Familiennamen betrifft, ist es wohl wahr, daß die Leute des 17. Jahrhunderts alle erdenklichen Schreibarten und einige mehr benutzten — aber der Historiker muß sich ein System zurechtlegen; warum hier Wallensteins erste Frau in alttschechischer, sein Gegenschwager in deutscher Orthographie geschrieben wird, bleibt unklar. „Das Herrengeschlecht der Ralsko“ (S. 23) ist keine passende Bezeichnung für die Markwartinger, wenngleich Ralsko, germanicė: Roll, eine Stammburg derselben ist. Nicht ganz klar sind folgende Sätze: „In den Güterkonfiskationen bei Wallenstein-An- hängem eröffnet sich ein Pandämo- nium der Charakterlosigkeit dem Beschauer. Die Jagd nach Ehrenketten, Orden, Titeln nahm groteske Formen an.“ Hätte es geheißen: Pandä- monium der Habsucht — gut! Aber Charakterlosigkeit? Das stimmt nur bei Rašin, der vom Agenten des Feindes zum Kronzeugen wurde. Die übrigen Offiziere wurden denn doch dafür belohnt, daß sie ihren Fahneneid hielten. Und Orden? Der einzige Orden des Erzhauses war das Vlies. Das bekamen anno 1634 drei Große des Königsreichs Neapel und zwei Österreicher — Dietrichstein und Trauttmansdorff —. die mit der Egerer Blutnacht gar nichts zu tun hatten. Octavio Piccolomini bekam das Vlies wohl, aber erst zehn Jahre später, nach vielfachen Kriegsdiensten. Endlich dürfen wir zu dem Satz nicht schweigen, daß Trekas Truppen „den Tod ihres Kommandeurs“ hätten rächen können. Mit Verlaub! noch waren diese Regimenter nicht zu den Evangelischen und Norddeutschen übergegangen — sie waren und blieben kaiserlich-königlich. Sie hatten also keinen Kommandeur, sondern einen Kommandanten gehabt. Dies sind eben Einzelheiten, die An lage des ganzen Buchs ist gut. Und gern liest jeder Freund schöner Verse auch hier, was uns Professor Pekar so einprägsam erklärte: Daß Schiller in seiner Trilogie Wallenstein richtiger gesehen hatte, denn in seinem Geschichtsbuch — der Dichter war eben Seher.

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