7127559-1997_11_04.jpg
Digital In Arbeit

Wo sind die Behinderten geblieben}

Werbung
Werbung
Werbung

Einmal im Jahr wird allen Österreichern ganz massiv ins Bewußtsein gerufen, daß es sie gibt: „die Behinderten”. Dann nämlich, wenn „Licht-ins-Dunkel”-Zeit ist. Die medial propagierte kollektive Menschlichkeit macht sie in den Wochen vor Weihnachten zu Medienstars, für die es mitleidsvoll zu spenden gilt.

Sonst hört man nicht viel von den „behinderten Mitbürgern”, von ihren Problemen, Anliegen, Wünschen. Auch im öffentlichen Leben treten diese Menschen eher selten hervor. „Woran liegt das? Warum vertreten Menschen mit Handicap ihre Anliegen nicht selbstbewußt offensiv nach außen?” werde ich als Betroffener oft gefragt.

Das liegt vor allem daran, daß es „die Behinderten” als Gesamtgruppe nicht gibt. Es gibt vielerlei Arten von körperlichen und geistigen Behinderungen. Blinde Menschen haben andere Anliegen als etwa Amputierte oder Spastiker. Auch scheint es nach meiner Erfahrung so etwas wie „Solidarität” unter Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen nicht wirklich zu geben. Es gibt vielmehr eine Art „Hierarchie der Behinderten” untereinander.

Die unterschiedlichen Behinde-rungs-,Typen” scheinen sich nicht wirklich füreinander zu interessieren - im Gegenteil, sie grenzen sich teilweise sogar bewußt voneinander ab. So ist es durchaus keine Seltenheit, daß Beinamputierte Witze über Blinde machen ...

Behindert ist also nicht gleich behindert. Diese Heterogenität mag ein Grund sein, warum der Eindruck entsteht, „die Behinderten” würden ihre Anliegen nicht offensiv genug artikulieren.

Auch die „Schicksalsergebenheit”, die ich bei der Begegnung mit anderen Menschen mit irgendwelchen Behinderungen immer wieder antreffe, spielt eine wichtige Rolle.

Freilich muß man sich auch hier hüten zu generalisieren, aber Resignation, fehlende Zukunftsperspektiven und die kaum vorhandene Motivation, an der gegebenen subjektiven Situation im Bereich des Möglichen etwas zu ändern, sind noch immer anzutreffen. Ist Rückzug in die Devise wirklich ein guter Ausweg?

Selbstbewußte Behinderte, die offensiv auf die (Nicht-Behinderten zugehen und ihre Anliegen in der Öffentlichkeit artikulieren, sind eher die Ausnahme. Dennoch gibt es sie, wie etwa das Beispiel der Grünen Abgeordneten Theresia Haidlmayer zeigt. Solche „Vorzeigebehinderte” sollten anderen Betroffenen Mut machen, mehr aus sich herauszugehen. Diese Änderung der Einstellung zu sich selbst muß bei jedem einzelnen beginnen. Dann erst wird man über kurz oder lang mehr von „den Behinderten” in der Öffentlichkeit hören. ' Der Autor ist seit seiner Geburt spastisch behindert.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung