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Kein Ghetto für die Behinderten

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Mit dem Jahr 1981 geht auch das „Jahr der Behinderten“ zu Ende. War es ein gutes Jahr? Hat es dem

„Außenstehenden“ die nötige

Kenntnis und Einsicht in die Problematik der Behinderten vermitteln können und dem „Betroffenen“ Verständnis und Hilfe gebracht? Gab es ein Näherrücken zwischen beiden Gruppen? Wird das Kapital, der Schatz dieses Jahres ausreichen können für viele weitere Jahre? Oder wird abgeschlossen und abgelegt?

Wir haben den schönen Satz geprägt: Behindert ist, wer nicht lieben kann (ein matter Trost für den, der eine schmerzhafte, spürbare Behinderung trägt, etwas, das weh tut und zum Himmel, schreit - wie blaß dagegen das Bild vom seelischen Krüppel!) Wie farblos auch sind die einfachen, normalen Hindernisse und Behinderungen, mit denen wir zu tun haben und die uns das Leben so sauer machen!

Das letzte Jahr hat uns - andeutungsweise wenigstens — die „anderen“, dauernden Behinderungen ins Bewußtsein gebracht. Vielleicht auch bei uns Betroffenheit darüber ausgelöst, daß neben dem ganz alltäglichen Leid, das wieder vorbei geht, noch diese grauenhafte Abart, diese ganz besondere Gemeinheit des Leides existiert: Die lebenslange Verkrüppelung des Menschen.

Ich habe das Caritas-Behinder-

tenheim in Retz besucht: Ein mächtiger, ansprechender Bau, der im Grünen liegt. Hier haben insgesamt 200 geistig und mehrfach behinderte Buben, Jugendliche und Erwachsene einen Unterschlupf gefunden. Mehr als das: Hier erhalten sie eine spezielle praktische und pädagogische Förderung, hier gibt es eine Sonderschule, Tagesheimstätten, Werkstätten für Interne und Externe; die hauseigene Wäscherei, die Küche, der große Garten (mit biologischem Anbau) bieten Gelegenheit zur Tätigkeit, zur Entfaltung bestimmter Fähigkeiten.

Die Zusammenarbeit zwischen Experten (Fachärzten) und Betreuern (Personen, denen das Wohl und die Würde ihrer behinderten Mitmenschen am Herzen liegt und die sich für diese einset- zen) und der Kontakt zwischen Heim und Elternhaus bringt erfreuliche Ergebnisse; führt auch bei „hoffnungslosen Fällen“ zu einem Mindestmaß an Selbständigkeit (alle Behinderten können sich selber waschen, anziehen, die Toilette auf suchen, Nahrung zu sich nehmen).

Das Haus ist kein Ghetto mit eigenen Regeln, Vorschriften, Maßnahmen, sondern, wie der Direktor meint, der Versuch, dem „normalen Leben mit seinem Alltagsund Feiertagsrhythmus möglichst nahe zu kommen“.

„Es ist besser, ein kleines Licht anzuzünden, als über die Dunkel

heit zu schimpfen“ sagt Marie von Ebner-Eschenbach.

Das Rehabilitationsheim für Patienten mit psychotischen Erkrankungen in der Braungasse 41, im 17. Wiener Gemeindebezirk ist eine in Österreich einmalige Institution. Sie bereitet psychisch Erkrankte (schizophrene Patienten) nach einem Klinikaufenthalt auf die Rückkehr ins normale Leben vor. Der Großteil der Betreuten konnte durch die intensive fürsorgliche und medizinische Zuwendung in den Arbeitsprozeß wieder eingegliedert werden.

Es gibt noch andere Einrichtungen und Institutionen — Oasen in der Wüste, Lichter im Dunkel — die man nicht nur aufzählen, sondern auch besuchen sollte. Es ist tröstlich und gibt Hoffnung, wenn man sieht, wie passives Leid umgesetzt, wie aus Erstarrung Leben geweckt wird.

Die Behindertenheime der Caritas haben unbescheidene, aber wichtige Wünsche offen: So benötigt etwa der Turmhof in Retz Geld (einen Teil der Kosten würde das Land Niederösterreich übernehmen), um ein Hallenbad errichten zu können (spezifische Unterwassertherapien könnten dann angewendet werden). Machen Sie von dem Erlagschein Gebrauch, der der heutigen Ausgabe der „Furche“ beigelegt ist, Ihr Spende ist ein kleines Lebenslicht.

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