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Die Assimilierungskampa-gne gegen 800.000 bis eine Million Bulgarien-Türken nimmt kein Ende. Der bulgarische Journalist türkischer Abstammung, Mustafa Sü-leymanow, der in Ankaras Botschaft in Moskau um politisches Asyl angesucht hat, betont in einer Presseerklärung, man zwinge die Türken mit .Einschüchterung und Gewalt" zum Ablegen ihrer islamischen Vornamen.

Bislang wenig bekannte Wissenschaftler, wie der tur-kophobe Historiker Petar Petrow oder der Schriftsteller Boris Deribeev, ein regimetreuer Literat der zweiten Garnitur, dessen Buch ,Ahrida — nepeznata zemja" (Ahrida — das unbekannte Land) den „rein slawischen Charakter Bulgariens" beschreibt, liefern dem Regime Argumente" für die Bulga-risierungskampagne und gelangen unverdient zu Popularität.

In Ankara verhält man sich dagegen noch immer betont zurückhaltend. Erstens, weil man durch das Kurdenproblem im eigenen Hause mit einem Minderheiten-Problem konfrontiert ist. Wegen der Zypernkrise war das Verhältnis zu Athen stets problembelastet, und man war bemüht, wenigstens mit Bulgarien gute Beziehungen aufrechtzuerhalten.

Indessen setzt Sofia Propagandasignale in alle Richtungen. Mit der Erklärung der bulgarischen .Muftis" will man im Orient den Eindruck erwecken, die gegenwärtige„Sulgarisierungs-kampagne" sei keineswegs ein Kreuzzug gegen den Islam. Den Libyern gegenüber, zu denen sowohl Premierminister und Mekka-Pilger Turgut Ozal als auch die Bulgaren gute Beziehungen unterhalten, beteuert man, lediglich die Namen der Bulgaren-Türken würden geändert, der Islam müsse ihnen bleiben.

Genau das ist es, was die Kampagne in Bulgarien zum Präzedenzfall für die übrigen Balkan-Staaten macht. In allen Balkan-Staaten leben muslimische Einwohner, deren einziges Unterscheidungsmerkmal gegenüber ihrer Umgebung ihr arabisch-islamischer Vorname ist. Eine Änderung des Vornamens führt zwangsläufig zur Assimilierung, und so gesehen hat die Kampagne in Bulgarien eine Signalwirkung für alle Balkanländer. In Jugoslawien hat der inzwischen schon inhaftierte Soziologe Vojislav Seselj die Abschaffung der „künstlich" geschaffenen muslimischen Nation gefordert.

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