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Ein Jahr verhandelt. Zum Schein?

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Gibt es noch einen gesellschaftlichen Konsens in Lebensfragen? Will man ihn überhaupt?

Die jüngsten Äußerungen zum Zielparagraphen des in parlamentarischer Beratung stehenden neuen Jugendwohlfahrtsgesetzes laufen eigentlich auf eine Verneinung dieser Fragen hinaus. Staatssekretärin Johanna Dohnal hat bei einer Pressekonferenz jede von der Regierungsvorlage abweichende Formulierung ausgeschlossen.

Zur Erinnerung: Die „Sicherung der körperlichen Entwicklung von der Empfängnis an“, so das geltende Jugendwohlfahrtsgesetz, soll hinausreformiert und durch eine Wischiwaschiformulierung ersetzt werden, die nur mehr von „werdenden Kindern“ spricht.

War in einer Erstfassung der erläuternden Bemerkungen noch vom „werdenden Kind ab seiner Empfängnis“ die Rede, ist in der gegenwärtigen Fassung das „werdende Kind“ nur noch „eine Folge der mit der Empfängnis eintretenden biologischen Entwicklung“.

In der Lesart von Dohnal: Der in Zusammenhang mit dem „werdenden Kind“ verwendete Begriff „werdende Mutter“ gilt für sie ab dem Zeitpunkt, an dem sich die Mutter für eine Schwangerschaft entscheidet. Also sogar unabhängig von der „biologischen Entwicklung“.

Die Stoßrichtung ist unzweideutig: Der Schutz des ungeborenen Kindes soll auch im sozialen Bereich ausgehöhlt werden. Daß trotzdem in ÖVP-Kreisen die Uberzeugung herrscht und noch herrscht, die Formulierung vom „werdenden Kind“ schließe das Leben von der Empfängnis an ein und jedes Mißverständnis aus, ist nicht einmal mit politischer Naivität zu entschuldigen.

Die Bedenken, die von vielen — von Bischöfen ebenso wie von katholischen Organisationen und auch von der FURCHE - gegen den neuen Zielparagraphen vorgebracht wurden, waren Gegenstand diskreter Gespräche und • Beratungen. Mit den Vertretern beider Regierungsparteien.

Nach den jüngsten Dohnal-Er-klärungen und den Äußerungen von SPÖ-Klubobmann Heinz Fischer, man könne quasi über alles reden, wenn die Fristenregelung mit Verfassungsmehrheit festgeschrieben wird, wird man den Verdacht nicht los, daß über Monate nur Scheinverhandlungen geführt wurden, um die öffentliche Diskussion zu kalmieren und danach vollendete Tatsachen zu schaffen. Daß ÖVP-Vertreter heute schon Lorbeer erwarten, wenn die Lebensfrage nur noch mit einem Nebensatz im Ausschußbericht Erwähnung fände, gehört dazu. Das sagt mehr als jede Sonntagsrede oder eine Beteuerung unter vier Augen.

Der Verdacht ist unbegründet? Dann bitte um den Gegenbeweis! Manche in den Regierungsparteien werden sonst ihr Gesicht verlieren. Und danach Wählervertrauen.

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