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Enragiert

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Schon wieder einmal dominieren die Enragierten die Engagierten. Den meisten genügt die „Zronenzeitung“ als Informationsquelle, um „feymann raus!“ zu schreien und ins Theater gehen sie sowieso nicht.

Es war furchtbar, was Claus Peymann in seinem „Zeit“-Interview gesagt hat, aber so furchtbar war's wieder auch nicht. Es war haarsträubend, aber auch komisch und vor allem augenzwinkernd theatralisch. Auch nach dem Kniefall gibt's weiter den „Fall Peymann“. Unsere Würde verlangt es, daß er sich noch ein bisserl auf dem Boden wälzt. Und selbst dann wäre die Gewerkschaft noch nicht zufrieden.

Natürlich darf der Hofnarr nicht auf dem Thron sitzen, natürlich soll gewissenhaft gefragt werden, ob Peymann in der Lage ist, ein großes Unternehmen wie das Burgtheater zu leiten — und wie effektiv er dabei ist, nicht nur künstlerisch, sondern auch wirtschaftlich. Diese sachlichen Fragen wurden von der Ensemblevertretung aufgeworfen. Aus gegebenem Anlaß.

Das Interview bot aber nicht nur Peymann Gelegenheit, sich in einem Psycho-gramm selbst darzustellen, in der folgenden Diskussion wurden auch Züge eines Österreich-Profils sichtbar, das unserem vielzitierten „Volkscharakter“ kaum entspricht: Verspannt vor lauter nationaler Würde, verquält im Bemühen, das Aufkeimen jeglichen Humors zu unterdrücken. Kein sehr selbstbewußtes Profil in Wahrheit.

Dazu kamen Zwischentöne, die man nicht ignorieren soll. Wenn da eine Nationalkonservative Union vor dem Burgtheater Flugzettel verteilt, in deren Text der Aufstand gegen „kranke Gehirne“ gefordert wird, dann ist die wegwerfende Bemerkung, hier handle es sich um eine Minderheit, nicht gerechtfertigt, solange deutlich erkennbar die Tendenz da ist, daß solche Minderheiten bei Enragierten verschiedener Couleurs in entsprechenden Situationen sofort Mehrheiten finden. Die Kunst war immer ein guter Seismograph für politische Entwicklungen.

Apropos Politik: In der letzten Nummer der „Zeit“ wird Kanzler Franz Vranitzky wohlwollend zitiert, weil er das Interview als tragikomischen Zweikampf Pey-manns mit sich selber interpretiert. Sie werden sogar neidisch, die deutschen Bürger, und möchten, daß man Franz Vranitzky gleich mitschickt, wenn Peymann nach Deutschland zurückkehren sollte.

Und Wien bleibt indes Wien.

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