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Exkurs über den Feiertag

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Die Effizienz eines Festes ist durch seine Dauer gegeben, die in Stunden beziehungsweise Tagen ausgedrückt werden kann. So sind unsere stärksten Feiertage dadurch charakterisiert, daß ihre Potenz ausreicht, 48 Stunden beziehungsweise zwei Tage für sich herauszuschlagen, wobei diese, wenigstens teilweise, der Produktion entzogen werden müssen.

Die Schwierigkeit, der Produktion, und damit dem Fortschritt,

Zeit zu entziehen, erweist sich darin, daß es selbst den effizientesten Festen nicht gelingt, über einen Zeitentzug von zwei Tagen hinauszukommen.

Die größte Effizienz hat naturgemäß das Weihnachtsfest; ihm gelingt es, zwei volle Tage herauszuschlagen und dabei auch noch den Vortag, also den 24. Dezember, so anzuschlagen, daß er gleichsam zu taumeln beginnt und für die Produktion beinahe ausfällt.

Ein wichtiger Punkt für die Festforschung ist diė Frage, ob ein Fest interseptiman, also, vulgär ausgedrückt, unter der Woche, auftreten kann oder nicht. Das Weihnachtsfest ist nun dadurch gekennzeichnet, daß es — und zwar es allein — in berechenbaren Jahresabständen 48 Stunden interseptiman herausschlagen kann. Das gelingt keinem anderen Fest, und insofern sind wir berechtigt, hier von einem Champion unter den Festen zu sprechen.

Der flottierende Charakter des Weihnachtsfestes, also seine Fähigkeit, interseptiman zu wirken, bedingt sogar, daß es unter Umständen, die von der Forschung exakt vorausberechnet werden können (wenn nämlich der erste Feiertag auf einen Montag fällt und wenn außerdem arbeitsfreie Samstage eingeführt sind), vier aufeinanderfolgende freie Tage herausschlagen kann: ein absoluter Rekord.

Derselbe flottierende Charakter, der hier als maximale Effizienz erscheint, bedingt allerdings auch eine fatale, oft unvermutete Schwäche des Champions, falls nämlich der erste Feiertag mit einem Samstag koinzidiert, wobei in solchen Mißjahren das Weihnachtsfest, wie der Fachausdruck lautet, in einem Wochenende versackt.

Zum Phänomen des Versak- kens eines Festes können wir den allgemeinen Satz aufstellen: Jedes flottierende Fest, das nicht interseptiman auftritt, muß versacken. Dieses Versacken, das auch von unbedeutenderen flottierenden Feiertagen her sattsam bekannt ist, kann nun — und das ist deshalb bemerkenswert, weil hier die entscheidende Differenz zum Weihnachtsfest zutage tritt — bei unseren übrigen 48-Stunden- Meistern, dem Oster- und dem Pfingstfest, niemals auftreten. Diese Feste sind, wie wir sagen, septimanofix; sie garantieren stets, mit jährlicher Pünklichkeit, bei gegebenen freien Samstagen drei aufeinanderfolgende freie Tage. Vier Tage sind also hier ausgeschlossen, dafür besteht aber größere Solidität, ja hundertprozentige Sicherheit.

Der 48-Stunden-Charakter dieser beiden Silbermedaillengewinner unter den Festen muß allerdings mit einem großen Fragezeichen versehen werden, da hier stets ein Sonntag, also ein ohnehin freier Tag, dazu herhalten muß, um die Zweitägigkeit zu sichern. Dieser mehr als unschöne Zug wird allerdings dadurch gemil-

dert, daß es diesen Festen gelingt, den Montag, also den Tag maximaler Frustration, zu befreien, wodurch deutlich ausgeprägte positive Gefühlsspitzen nicht nur am Samstagabend, sondern auch am Sonntagabend registriert werden.

Wird dagegen behauptet, daß auch moderne flottierende Feiertage, etwa der erste Mai, den Montag befreien und daher dieselbe Wirkung wie Ostern und Pfingsten erreichen können, so kann man dies, angesichts der relativen Seltenheit solcher Koinzidenzen, nicht energisch genug zurückweisen.

Im übrigen wird die höhere Effizienz unserer drei stärksten klerikalen Feste auch dadurch bewiesen, daß sie potent genug sind, den offiziellen Atheismus der Oststaaten mattzusetzen, was etlichen Eintagsfliegen unter den geistlichen Festen keineswegs gelungen ist.

Wir haben also eine goldene und zwei silberne Medaillen an unsere zweitägigen Feste verliehen, und nun mag sich ein Diktator melden, der noch den Mut fände, sie abzuschaffen!

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