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Hauptmann — spielbar gemacht

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Vorurteile, die man gegen bestimmte Stücke und Autoren hegt, bestehen so lange zu Recht, bis den Gründen, die sie aufrecht erhalten, die sie nährenden Quellen entzogen werden.

So zählte Gerhart Hauptmanns Drama „Vor Sonnenuntergang“ so lange zu jenen entbehrlichen Stücken der Theaterliteratur, bis sich ein Dramaturg mit Hirn und Hand daranmachte, uns heute unerträglich scheinende Epik im Drama zu kappen, aus fünf Akten vier zu machen und Herrn Geheimrat Clausen bereits zu Hause nach der Entmündigungsszene sterben zu lassen.

Dies geschah zu Salziburg, am Landestheater, wo man nun offensichtlich vor Auslaufen der Ära Buschbeck besonders darauf sieht, das Publikum bei Laune zu halten, ja es vermittels Fragebogen einlädt, über den Spielplan 1972/73 mitzubestimmen, was wahrscheinlich in Form von Diskussionen lustiger wäre, an denen aber dann doch nur Salzburger teilnähmen und nicht jene Gäste, die brav ihr Abonnement absitzen, zu dem sie im Autobus eine Stunde oder mehr aus der Umgebung anreisen.

Aber zurück zu Hauptmanns drittem Frühling in Herrn Clausen, den der wie die Figur ebenfalls siebzigjährige Gustav Fröhlich so gestaltet, daß man zumindest von der schauspielerischen Leistung gepackt ist, wenn einem der Hauptmannsche Naturalismus mit seinen reichen klassischen Pslzverbrämungen, die hier zwar dankenswert gelüftet sind, nichts oder nur wenig sagt. Daß das Stück doch mehr im Sinne etwa Ibsens verstanden werden kann, ist eindeutig der klugen Bearbeitung zu danken. Durchaus erfreulich auch die Leistung von Sylvia Manas als Inken Peters, die in der doch recht gefährlichen, weil hart am Geschmacklosen gebauten Liebessizene mit dem um 50 Jahre älteren Mann im zweiten Akt geradezu einen Hauch von Poesie mitbringt. Friedrich Kolander als der gutmütige, hilfsbereite und tolerante Professor Geiger und Michael Kiurina als der hellwache, umsichtige Sanitätsrat Steynitz verliehen dem Stück von ihren Rollen her starke Konturen. Die undankbare Partie der Bettina gestaltete Hanne Rohrer glaubwürdig und einprägsam, sie bewies wieder einmal, daß sie nicht nur eine gute Komödiantin ist. Gut auch Robert Hauer-Riedel als Egmont Clausen.

Intendant Buschbeck hat als Regisseur die übrige Clausensche Familie vernachlässigt, selbst aber als unreeller Justizrat Hanefeldt keine schlechte Figur gemacht. Über den Kostümbildner schweigt das Programm, Rudolf Schneider-Manns Au gibt den Namen für die Clausensche Bibliothek und einen etwas mißratenen Garten mit Glashaus. Der Schlußszene folgten einige „Gedenksekunden“ für den toten Clausen. Erst dann setzte der Applaus für den guten Theaterabend ein.

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