Intellektueller Musikantenstadl

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Gerhart Hauptmanns "Vor Sonnenuntergang" am Burgtheater.

Zu Beginn der Vorstellung wird dem Publikum mindestens ein Dutzend Mal in englischer Sprache eingehämmert, dass es nur mit einem Traum in einem Traum konfrontiert wird. Da weiß man schon, dass die subjektive Sicht des Regisseurs Gerhart Hauptmanns "Vor Sonnenuntergang" am Wiener Burgtheater dominieren wird. Was dann an Regiemätzchen folgt, macht zwar zum Glück die Probleme des Stückes nicht unkenntlich, ist aber in seinem beim Publikum durchaus ankommenden Haschen nach Effekten und Entertainment eher ein intellektuell angehauchter Musikantenstadl als ein wirklich berührender Theaterabend.

Regisseur Sebastian Hartmann folgt im wahrsten Sinn des Wortes peinlich genau Frank Castorfs Spuren. Eine Landschaft von Containern, nebst Swimmingpool, einer Terrasse und einem erst am Schluss genutzten kahlen Raum, beherrscht die von Peter Schubert gestaltete Drehbühne. Aus den Containern hört man die Darsteller nur mittels Mikrofonen und Lautsprechern, dank der riesigen Glaswände sieht man auch hinein. "Big Brother" lässt grüßen, wenn dahinter jemand duscht oder bizarre Sexspiele angedeutet werden. Zur 20jährigen Gärtnersnichte Inken Peters (Stefanie Dvorak), in die sich der 70jährige Geheimrat Clausen (Martin Schwab) verliebt hat, passt natürlich gleich ein ganzes Glashaus, wenn sie nicht unter der Treppe der herrschaftlichen Containerreihe ihr Dasein fristen muss, verachtet von der Familie des alten Herrn.

Das Stück handelt von dieser zum Scheitern verurteilten Liebe der beiden und vom Agitieren der Angehörigen bis zur Entmündigung und zum Selbstmord des Geheimrats. Der Goethefan Gerhart Hauptmann, selbst immer blutjungen, von ihm idealisierten weiblichen Geschöpfen zugeneigt, schrieb sich hier 1932, als er 70 wurde, eigene Obsessionen von der Seele. Nicht alles davon kommt in dieser Inszenierung vor, den Schluss, den Werner Krauß bei der Uraufführung so nicht spielen wollte, aber 20 Jahre später dann doch gespielt hat, hat Hartmann neuerlich verändert. Wie hier Rollen, deren Text dann andere übernehmen müssen, gestrichen und Textpassagen eingefügt wurden (Dramaturgie: Joachim Lux), wirkt nicht überzeugend.

Was Clausen und Inken aneinander finden, interessiert den Regisseur sichtlich weniger als die zunehmende Ohnmacht eines alten, zunächst noch dominierenden Menschen gegenüber der jüngeren Generation, seit Shakespeares "König Lear" ein gewaltiges Thema. Hier stehen freilich plakative Unterhaltung und primitive Effekte oft, aber nicht immer, einem tieferen Verständnis im Weg.

Da wird der Geheimrat von seiner hier recht modern und nicht idealistisch lieblich anmutenden Geliebten wie ein Haustier gefüttert. Da wackelt das Frühstücksgeschirr, wenn im Konflikt abwechseln am Tisch gerüttelt wird. Da wird nach der Pause groß "Entmündigung" eingeblendet, und dazu erklingt bei flackernder Beleuchtung der Donauwalzer. Schließlich singt der Familienchor "What will be, will be". Und am Ende räkeln sich die schuldigen Verwandten erst auf Video und dann live in blutigen Leintüchern.

Von den Schauspielern, die hier oft dick auftragen müssen, ernteten Martin Schwab und Stefanie Dvorak, aber auch Maria Happel (Bettina) und Johann Adam Oest (Professor Geiger) beim Premierenpublikum den freundlichsten Applaus.

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