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Heimat Burgtheater

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„Ich will bemüht sein, bei meinen Betrachtungen über das Burgtheater, dem ich fast ein halbes Jahrhundert als Mitglied angehört habe, nicht nur meine Person Betreffendes zu schildern, sondern auf Dokumente gestützte Angaben über manche Geschehnisse des Hauses zu machen.“ So umreißt der Autor im Vorwort die neue Aufgabe, die er sich gestellt hat. Und er erfüllt sie auf eine Weise, wie man sich's besser, gediegener und unterhaltsamer nicht wünschen kann.

Der Sohn des Bezirkshauptmannes Alexander Ritter von Pawlowski, von 1906 bis 1914 Theresianist, zuletzt Jusstudent, entschließt sich, Schauspieler zu werden. Zahlreiche Besuche des Burgtheaters hatten ihn dazu angeregt. Nach ungnädiger Entlassung kommt ein Jahr der Freiheit, jenes letzte Jahr des Friedens 1913/14, das mit suggestiver Eindringlichkeit geschildert ist. Er wird schon 1915 eingezogen, kommt an die Front, meldet sich nach Kärnten und erlebt dort als k. u. k. Oberleutnant das Ende des Krieges.

Doch zurück zum Schauspieler: Nach erstem Sprechunterricht bei Jacobi kamen die ersten Mitwirkungen und Engagements. Sein Idol ist der Burgschauspieler Harry Waiden. 1919 bis 1920 ist Hennings am Stadttheater von St. Pölten tätig. Während eines Gastspiels in Marienbad engagiert ihn Jarno an seine Bühne, das Wiener Stadttheater in der Skodagasse, und während eines Wandergastspiels des Wiener Volksbildungswerkes spielt Hennings acht große Rollen. Er kommt an das Neue Theater in Frankfurt und schließt 1923 einen dreijährigen Vertrag. Aber bei den Passionsspielen 1923 in Mariazell hat er den künftigen Direktor des Burgtheaters Franz Her-terich kennengelernt, der ihm eine Hauptrolle in „Tageszeiten der Liebe“ von Nicodemi anvertraut: als Partner von Rosa Albach-Retty. Am 22. September 1923 unterschreibt Hennings, nachdem er sich mit einem Geschenk von dem Hamburger Direktor Hellmer freigekauft hatte, einen Drei jahres vertrag mit dem Burgtheater.

Doch dies ist nur das „Skelett“, um das sich die Berichte über das Schicksal des Burgtheaters in diesen schweren Jahren ranken: die vielen rasch wechselnden Direktionen, auch der Generalintendanz, Porträts einzelner Kollegen, Regisseure und Direktoren. Und immer wieder — im Zentrum — das Schicksal des Hauses. Für den Rezensenten war eines der interessantesten Kapitel jenes über das Projekt mit Max Reinhardt. Der eigentliche Motor, zumindest der Initiator, scheint Hofmannsthal gewesen zu sein. Das geht aus den während der letzten zehn Jahre veröffentlichten Korrespondenzen hervor. Es waren nicht nur Frühjahrsgastspiele des Berliner Ensembles, sondern auch gewisse Fusionen geplant, die wahrscheinlich das Burgtheater seine Eigenständigkeit sowohl in administrativer wie, was gefährlicher gewesen wäre, auch in künstlerischer Hinsicht gekostet hätten.

Über all das berichtet Hennings erzählend, fügt ab und zu ein Dokument .. ein — und. entläßt den Leser wohlinformiert und aufs beste unterhalten. Diese Kunst des erzählenden Berichtens, persönlich und sachlich zugleich, ist heute selten geworden. Hennings ist einer ihrer letzten und liebenswürdigsten Vertreter.

HEIMAT BURGTHEATER. Von Fred Hennings (1. Teil: Wie ich ans Burgtheater kam. 1906 bis 1923). Herold-Verlag, Wien-München. 162 Seiten.

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