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Les grands boulevards...

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RINGSTRASSENSYMPHONIE. I. Satz, 18 57-1870: Es ist mein Wille. Von Fred Hennings. Verlag Herold, Wien-München, 1963. 72 Seiten. Preis 68 S.

Mit großer Freude werden alle Freunde von Alt-Wien dieses hübsche Bändchen begrüßen; mit Ungeduld werden sie auf weitere warten. Dem Autor obliegt es bekanntlich im Hauptberuf, eine der großen Traditionen Wiener Kultur eben an der Ringstraße fortzusetzen; doch hat ihn auch auf dem Gebiet der Geschichte langes Studium zum geschätzten Fachmann gemacht. Sachkenntnis, Liebe zum Thema und Sprachkunst sichern dem Text seinen Wert für ein breites Publikum; reichliche Ausstattung mit schönen und hochinteressanten Abbildungen machen das Buch doppelt angenehm zu lesen, und doppelt nützlich.

Wir haben hier die Entstehungsgeschichte des größten Wiener Straßenzugs vor uns: der Ringstraße, die man hätte nach den früheren Bollwerken benennen können, wie man es bei ihrem Pariser Vorbild getan hat. Und dieses Verhältnis von Vorbild und Nachahmung ist allein schon hochbedeutsam für den Zeitabschnitt, der die Wälle Wiens sinken sah: es war die Zeit, da Kaiser Franz loseph noch im Geiste Felix Schwarzenbergs an einem modernen autoritären Kaiserreich baute, wie es

gleichzeitig Napoleon III. in funkelnder Pracht beherrschte.

Solche große Bauvorhaben haben immer eine Beziehung zur politischen Geschichte — wenn das Verhältnis auch in Wien nicht ganz so aufdringlich sein mag wie in der „polemischen Stadt“ Prag. Hennings macht uns die geschichtlichen Beziehungen der Ringstraße plastisch deutlich. Geplant als Via triumphalis des siegreichen Kaisertums, ausgerichtet auf die künftigen „Kaiserfora“ beiderseits des Burgtors, wurde die Ringstraße nach den Katastrophen von 1859 und 1866 zur Siegesallee des Bürgertums — so viele Adelspaläste auch noch an ihr standen. Nicht umsonst entstand hier das monumentale, machtbewußte Rathaus...

Doch weil eben diese ganze Erzählung ihren politischen Inhalt hat, kann man auch heute noch die“ Ereignisse sehr verschieden auffassen, dieselbe Melodie sehr verschieden betonen. Es sollte uns nicht wundern, wenn die eine und andere Formulierung Hennings' auf Widerspruch stieße. Die Haltung der Wiener Bürgerschaft im Krieg von 1866 hat — wie Hennings selbst betont — bei patriotischen Zeitgenossen Entrüstung hervorgerufen (man lese etwa bei Bernhard Meyer, Erlebnisse, Bd. II, Wien I, Seite 76 ff. nach — und so fühlte ein Wahlösterreicherl). Und auch uns will es scheinen, daß man für dieselbe nicht einfach das frühere absolutistische Regime verantwortlich machen kann. Die Pariser hatten unter der. .. gelenkten Demokratie Napoleons III. gelebt, und ergriffen anno 1870 wesentlich andere Initiativen! — Aber das sind Einzelheiten. Wir können dem Autor des ganzen Buches nur dankbar sein, wenn er uns die Ideen klar darstellt, die hinter Bauten, wie der Votivkirche, dem Arsenal, dem Schwarzenberg-Platz standen. Sowohl der Wiener, wie der Besucher wird sein Werk mit Nutzen und Genuß lesen.

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