Lehren aus dem Fall Föderl-Schmid: Hass-Fasten – geht das?

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Die Causa Föderl-Schmid offenbart das ungeheure Ausmaß an Vernichtungswut im digitalen Raum. Warum es nach aller Bestürzung nun eine Metanoia braucht – strukturell und individuell.

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Die Causa Föderl-Schmid offenbart das ungeheure Ausmaß an Vernichtungswut im digitalen Raum. Warum es nach aller Bestürzung nun eine Metanoia braucht – strukturell und individuell.

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Warten, hoffen – und schweigen: Das wäre die adäquate Reaktion gewesen, als vergangene Woche eine der profiliertesten Journalistinnen des deutschsprachigen Raums als vermisst gemeldet wurde – die stellvertretende Chefredakteurin der Süddeutschen Zeitung und langjährige Standard-Chefin, Alexandra Föderl-Schmid. Tatsächlich hielten sich die allermeisten Qualitätsmedien mit Wortspenden zurück, bis es nach 24 Stunden doch noch zur glücklichen Wendung kam.

In den Sozialen Medien freilich tat sich ein Abgrund auf – während dieser bangen Stunden, aber noch mehr davor und danach. Es war eine unvergleichliche Hetzjagd, der die Journalistin zuvor ausgeliefert war, ungeschützt offenbar auch von der eigenen Redaktion. Vorwürfe, in ihren Texten mitunter vorgefertigte Passagen übernommen zu haben, hatten schon zu ihrem operativen Rückzug geführt, als die weit rechts stehende Propaganda-Plattform Nius des ehemaligen Bild-Chefredakteurs Julian Reichelt weiter zum Halali blies – mit dem „Plagiatjäger“ Stefan Weber als bezahltem Gehilfen.

Einzelne Ungenauigkeiten in Föderl-Schmids Dissertation wurden monströs aufgeblasen, tausende Trolle versprühten in der Folge – teils mit Klarnamen – Hass und Häme, die vermeintlich „sozialen“ Medien wurden zum Vernichtungsraum. Nicht nur Föderl-Schmid selbst diente als Feindbild, sondern die Süddeutsche bzw. „die Medien“ insgesamt. Der Tenor: Nach den Plagiats-Vorwürfen gegenüber AfD-Chefin Alice Weidel und der „Kampagne“ gegen Hubert Aiwanger wegen der „Flugblattaffäre“ dürfe man sich jetzt nicht wundern.

Hate Speech als digitale Geißel

So sehr sich öffentliche Spekulationen über die Ursachen persönlicher Verzweiflungstaten verbieten (vgl. dazu diesen Gastkommentar von Golli Marboe), so notwendig ist nach allem Entsetzen eine Aufarbeitung des Geschehenen.

Beginnen wir beim Naheliegendsten: Hate Speech und „digitale Hinrichtungen“ sind ein generelles Übel und mit allen Mitteln zu bekämpfen. Sie sind eine Geißel der digitalen Welt – völlig unabhängig, ob die Opfer (darunter vielfach Frauen) im politischen Spektrum „links“ oder „rechts“ zu verorten sind. Davon zu unterscheiden ist (legitime) Kritik an Missständen, Fehlern oder politischen Konzepten, wie dies im Qualitätsjournalismus Usus ist.

Dass dieser auch selbst fehlerhaft ist, deshalb ebenfalls kritisiert werden kann und entsprechend Aufarbeitung leisten muss, versteht sich von selbst. Dennoch bleibt er eine Säule der liberalen Demokratie – und das Wuchern von algorithmusgetriebenen Hass-Fabriken wie X (vormals Twitter) oder nebulos finanzierten Propaganda-Plattformen deren größte Gefährdung. Dass es künftig unter dem Vorwand des Datenschutzes noch leichter als bisher möglich sein könnte, die Pressefreiheit zu torpedieren und Redaktionen (womöglich angeleitet von rechten Demokratieverächtern) mit Slapp-Klagen lahmzulegen, ist eine weitere Dystopie, deren Realisierung verhindert werden muss.

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