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Lelouch wieder in Bestform

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Nach einigen schwächeren, aber vom Unterhaltungwert her noch immer recht passablen Filmen hat Claude Lelouch, seit seinem Großerfolg mit „Ein Mann und eine Frau“ (1966) beim Publikum ebenso beliebt wie rigorosen Cineasten verhaßt, wieder ein Werk geschaffen, in dem sein auf anspruchsvolle Weise romantisierender Stil von früher variiert und sublimiert erscheint. Schon der Titel „Der Gute und die Bösen“ (1975) deutet an, daß simple, herkömmliche Moralkategorien hier relativiert werden. Der Film spielt im Frankreich der Jahre zwischen 1935 und 1945, wobei der zeitgeschichtliche Hintergrund nicht nur des Zweiten Weltkrieges sichtbar wird. Die Handlung wird durch Konflikte, aber auch durch Berührungsflächen zwischen Polizisten und kleineren Gangstern, zwischen Gestapo, Resistance und Kollaborateuren des Vichy-Regi-mes in Schwung gehalten. Lelouch, wieder sein eigener Produzent und Drebuchautor, hat es verstanden, die Elemente einer Gaunerkomödie mit jenen eines politischen Zeitbildes in einer geschickten Balance zu halten und dazwischen immer wieder die Kurve von einer nach außen hin amüsanten, aber im Grunde gallbitteren Satire zu nehmen. Er integriert scheinbar mühelos Gestapo, Judenverfolgung und Raub von Kunstschätzen in seine Story und zeigt daneben auf, daß sich auch das NS-Regime nicht scheute, mit Verbrechern zusammenzuarbeiten, wenn es galt, sich in besetzten oder kontrollierten Gebieten unter verlockenden Freiheitsangeboten willfährige Helfer gegen Patrioten zu sichern. Lelouchs Ganoven, die recht sympathisch wirken, sind hier in lockeren Kontrast zu jenen gestellt, die für die größeren Verbrechen des Krieges und des politischen Terrors verantwortlich waren und sich des Machtopportunismus schuldig machten.

Lelouch hält den ganzen Film in einem Braunton alter Photographien und vermittelt so Nostalgie mit kritisch-hintergründiger Distanz. Er bedient sich dabei nie krasser oder plumper Effekte, enthält sich aller politischen Polemik und bleibt immer auf intelligente Art anregend und unterhaltend.

Auch ohne große Stars hat er ein ausgezeichnetes Ensemble um sich geschart, in dem Jacques Dutronc deswegen besondere Erwähnung verdient, weü sich hier aus einem ehemaligen Chansonnier ein bemerkenswerter Charakterdarsteller zu entwickeln scheint, der einen ähnlichen Weg wie seine Kollegen Yves Montand, Charles Aznavour und Jacques Brei machen könnte.

Der Streifen „Frau und Geliebte“ kann zwar mit Stars wie Marcello Mastroianni und Laura Antonelli aufwarten, aber auch sie zeigen unter der durchschnittlichen Regie von Marco Vicario vor allem ihre eigenen Grenzen. Geboten wird das Sittenbüd einer italienischen Provinzstadt der Jahrhundertwende, in dem der Mann nicht nur seinen Geschäften, sondern auch seinen amourösen und politischen Passionen nachgehen kann, während die Frau auf Haus und Krankenlager verbannt wird und erst zu eigener Persönlichkeit und Initiative erwacht, als sich der Gatte, unschuldig eines Mordes verdächtigt, in ein Versteck flüchten muß, aus dem er aber wieder einiges vom Treiben seiner Gemahlin beobachten kann. Aus der Situation dieses eigenartigen Emanzipationsversuches ergeben sich einige dramaturgisch dankbare Situationen, die aber nicht in eine geistvolle Gesellschaftssatire umgemünzt werden. Die Antonelli überläßt die Nu-ditätenschau diesmal ihren Partnerinnen, und auch sonst setzt Regisseur Vicario mehr auf vordergründige Effekte. Die antiklerikale Tendenz ist in italienischen Filmen mit sozialkritischer Note schon obligat.

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