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Nicht einmal ein Alibi

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Seit die Fristenlösung in Kraft ist, fordern immer wieder vernünftige Leute (auch Sozialisten) statistische Erhebungen: Wieviel wird abgetrieben? Warum? Mit welchen medizinischen Folgen? Bisher ohne Erfolg. Dafür unterstützten das Wissenschaftsministerium, das Staatssekretariat Karl und das Kulturamt der Stadt Wien eine Untersuchung zum Thema „Geburt oder Abtreibung“, von einer Projektgruppe am Institut für Soziologie der Universität Wien durchgeführt und nun publiziert. Sie kann nicht einmal als Alibi bestehen.

Der Eifer wäre einer seriöseren Arbeit würdig gewesen. Als Rest wissenschaftlichen Verantwortungsgefühls schlich sich die Formulierung „kann für die befragten Frauen Repräsentativität nicht beansprucht werden“ ein, die voll zu unterstreichen ist. 1975 wurden 248 Wiener Frauen interviewt. 73 davon hatten 1973 eine eheliche Geburt, 58 eine uneheliche (eine krasse Über-repräsentierung, denn erst auf acht eheliche Geburten kommt eine uneheliche - aber so läßt sich freilich die Theorie von vielen sozial bedingten Abtreibungen leichter untermauern). Bei den befragten Frauen mit Schwangerschaftsabbruch waren eindeutig verschiedene Voraussetzungen gegeben, 63 davon haben zwischen 1970 und 1974 illegal, 54 aber 1975 legal abgetrieben.

Ein Hauptresultat der Studie: Auf 100 Schwangerschaften kommen 34 Abtreibungen und 66 Geburten, davon 9 ungewollte (wahrscheinlich auch Abtreibungen, hätte man nur Schwangerschaften ab 1975 erhoben). Am zweifelhaftesten an dieser zweifelhaften Studie: Daß die logische Schlußfolgerung, durch die Fristenlösung kämen nun auf 100 Schwangerschaften 43 statt 34 Abtreibungen, den Geldgebern Freude machen wird.

GEBÜRf ODER ÄÖTRZlBÜNG -Eine soziologische Analyse von Schwangerschaftskarrieren. Von Rainer Münz und Jürgen M. Pelikan, Jugend & Volk, Wien 1978,200 Seiten, Paperback, öS 148,-.

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