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30 Jahre nach Einführung der Fristenregelung hat sich an der Salzach erneut ein Abtreibungs-Streit entzündet. Unbestritten ist der Mangel an psychosozialer Beratung - und an statistischen Zahlen.

Der Zankapfel ist über 30 Jahre alt: Am 23. Jänner 1974 fasste der österreichische Nationalrat mit knapper Mehrheit den Entschluss, die Fristenregelung einzuführen. Auch wenn die Abtreibung damit verboten blieb, so wurde doch Frauen innerhalb der ersten drei Monate (laut Paragraph 97, Absatz 1, Strafgesetzbuch) nach vorhergehender ärztlicher Beratung die Möglichkeit eingeräumt, eine Schwangerschaft straffrei abzubrechen.

Koalitionärer Zwist

In Salzburg, Vorarlberg und Tirol haben sie diese Option - zumindest in einem öffentlichen Krankenhaus - heutzutage nicht: Für die neue Salzburger Landeshauptfrau Gabi Burgstaller (SP) eine untragbare Situation: Sie will Abtreibungen auch an öffentlichen Krankenhäusern ermöglichen. Ein Vorschlag, den ihr Stellvertreter Wilfried Haslauer und die zuständige Landesrätin Doraja Eberle (beide VP) entschieden zurückweisen. Auch der Salzburger Erzbischof Alois Kothgasser hat Burgstallers Plänen eine Absage erteilt: Anstatt Abtreibungen zu erleichtern, sollte Schwangeren und Müttern besser geholfen werden, so Kothgasser. Eine Forderung, die auch die Aktion Leben unterstreicht (siehe Interview).

Ist das Beratungs- und Hilfsangebot in Österreich verbesserungswürdig, so wurde die Dokumentation von Abtreibungen bisher vollkommen vernachlässigt. Über ihre tatsächliche Zahl wird nur spekuliert: So geht etwa der Wiener Gynäkologe Peter Husslein von "bis zu 60.000 Abtreibungen" pro Jahr aus. Eine enorme Ziffer - angesichts von 76.944 Lebendgeburten im Jahr 2003. Deutlich weniger Abtreibungen vermutet Michael Rosenberger, Moraltheologe an der Katholisch-Theologischen Privatuniversität in Linz. Er rechnet mit 15.000 bis 20.000 Schwangerschaftsabbrüchen in Österreich. "Das wären aber im Vergleich noch immer mehr als in Deutschland, wo es rund 120.000 Abtreibungen pro Jahr gibt."

Der Grund für die niedrigere Abbruchzahl in Deutschland liegt für Rosenberger in der verpflichtenden psychosozialen Beratung. "Es muss nicht nur wie in Österreich eine Beratung durch den Mediziner erfolgen, sondern durch Sozialpädagogen oder ähnliche Personen, die tatsächlich in der Lage sind, sich in die Konfliktsituation der Frauen einzufühlen." Im Zuge dieser Pflichtberatung werden Alter, Familienstand und Gründe für die Abtreibung abgefragt. "Ohne eine solche Ursachenforschung kann das Hilfsangebot nicht adäquat ausgebaut werden", so Rosenberger.

Unehrliche Debatte

Punkto Salzburg mahnt der Moraltheologe zu mehr Ehrlichkeit: "Solange wir ein Gesetz haben, das eine straffreie Abtreibung ermöglicht, halte ich es nicht für richtig, keine Angebote in Kliniken zu machen. Das ist unehrlich." Wenn ein solches Angebot zur Verfügung gestellt würde, sollte man es aber mit einem verbesserten Beratungsangebot koppeln, so Rosenberger. "Damit wird ein Signal gesetzt: Wir wollen eigentlich keine Abtreibungen. Wir sehen zwar, dass sie nicht auf null reduziert werden können, aber wir wollen ihre Zahl zumindest verringern."

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