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Piontek total

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Drei Bücher sind in diesem Jahr von Heinz Piontek erschienen: ein Gedichtband „Wie sich Musik durchschlug“, ein Hörspielband „Dunkelkammerspiel“ und ein Band Prosastücke „Träu-men-Wachen-Widerstehen“. Das scheint fast an Uberproduktion zu grenzen und dem bedächtigen Arbeiten Pionteks zu widersprechen. Doch die Gedichte sind die Furcht von sieben Jahren, die Hörspiele entstanden in zehn Jahren und liegen zum ersten Mal in einem Sammelband vor. Und die kleinen Prosastücke begleiten sein Schaffen ununterbrochen.

Das programmatische Gedicht „Wie sich Musik durchschlug“, das dem Buch den Namen gab, steht ein für das „Uberleben eines klassischen Themas“ gegen die „Veränderer“, die Piontek in einem Gedicht „lustig und listig“ ironisiert, gegen den Kunstbetrieb auf Akademien und Symposien; es sammelt Honig wie die Bienen aus den Landschaften und Gezeiten, verbündet sich im Namen Mozarts mit der Musik und begleitet die „reiseklare Seele“ bis an die letzte Tür, die ins Dunkel führt, „mit letzten Bildern des Lichts“.

Die Hörspiele bereiten in Gesprächen das Dunkel des Lebens auf, in Dunkelkammerspielen, geben die Hoffnung, daß „irgendetwas wohl noch kommen müßte anstelle von dem, was sich abgenutzt hat“, buchstabieren lebensnahe Wörter an Stelle von Parolen: „Vielleicht zerspringt davon die Schale der Täuschungen, und durch die Bruchstellen hindurch wird wieder sichtbar, was wirklich ist.“ Es sind poetische Hörspiele, ähnlich denen Günter Eichs, die von Alltagssituationen ausgehen, gegen ihre Scheinsicherheiten wachsames Mißtrauen wecken, und in ihrer poetsichen Inszenierung Sphären eröffnen als „Möglichkeiten, die Häfen zu erreichen. Man setzt sein Leben aufs Spiel“, wie er in einem Gedicht sagt.

Der Titel des Prosabandes ist ein Programm: Träumen, Wachen, Widerstehen. Die Träume der Dichtung, bisher eine fiktive Welt, wahrer als die Alltagswelt. Die ganze Sphäre der empirischen Welt ist bloßer Schein und eine härtere Täuschung, sagt einmal Hegel, erst jenseits ist die wahrhafte Wirklichkeit zu finden. Dem „Getöse der Unmenschlichkeit“ widersteht die Dichtung Pionteks durch Manifestationen einfacher und klarer Schönheit, wie er in seiner Rede anläßlich der Verleihung des Büchner-Preises sagt. „Die Sicht des Sterbenden auf die volle Wahrheit“, heißt es dort von Büchner; um diese Sicht ringt der Lebende inmitten des Lärms. Um ihretwillen schlägt sich Dichtung wie Musik immer wieder durch, mit einer für Piontek charakteristischen dichterischen Balance schwebenden Gleichgewichts.

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