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Politikum oder echtes Anliegen?

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Die Einstellung des Österreichers zur Entwicklungshilfe gilt als nicht sehr positiv. Man mag über den Kolumnisten „Staberl“ denken, wie man will, aber, wie so oft, trifft er auch mit seinen gelegentlichen Tiraden gegen die Entwicklungshilfe die Meinung weiter Bevölkerungskreise, die sich durch die glanzvolle Kaiserkrönung in Zentralafrika mit französischen, Entwicklungshilfegeldern bestätigt fühlen konnten. Offenbar trägt auch die österreichische Regierung dieser Mentalität Rechnung, indem sie so budge-tiert, daß wir in nächster Zeit kaum vom letzten OECD-Platz in Sachen Entwicklungshilfe wegkommen können.

Dabei sind zahlreiche Institutionen in Österreich sehr engagiert am Werk, insbesondere die drei großen Entwicklungshelfer-Entsendeorganisationen OED (österreichischer Entwicklungshelferdienst), HZ (Institut für internationale Zusammenarbeit) und ö JREH (österreichischer Jugendrat für Entwicklungshilfe). Der Jugendrat hat sich auch mit großem Eifer der Öffentlichkeitsarbeit im eigenen Land gewidmet, Geschäftsführer Dr. Heinz Gabler und Öffentlichkeitsarbeiter Dr. Bernd Sibitz betonen die Wichtigkeit der Bewußtseinsbildung in Österreich, wo die Bevölkerung einmal offener für die Weltprobleme werden muß, ehe weitere Erfolge zu erwarten sind.

Nicht gerade nützlich für diese Bewußtseinsbildung dürften die jüngsten Ereignisse im Jugendrat sein,

dessen neun Mitgliedsorganisationen heißen: Arbeitsgemeinschaft katholischer Jugend Österreichs, Evangelisches Jugendwerk in Österreich, Katholische Jungschar Österreichs, österreichische Gewerkschaftsjugend, österreichische Jugendbewegung - Junge Generation in der ÖVP, Österreichische Jungarbeiterbewegung, österreichische Kolpingfamilie, Sozialistische Jugend Österreichs, Sozialistische Kinderbewegung - Kinderfreunde Österreichs. Da drei Gruppierungen (Gewerkschaftsjugend, Sozialistische Jugend, Kinderfreunde) mit 31. Dezember 1978 ihren Austritt aus dem Jugendrat bekanntgegeben haben, droht - laut Statut - zu diesem Termin der gesamten Organisation die Auflösung.

Reinhard Todt, Bundessekretär der Sozialistischen Jugend, sieht Entwicklungshilfe als zu wichtig an, „um nur von einer Jugendorganisation betrieben zu werden“. In einer neuen Institution müßten auch der Staat und größere gesellschaftliche Gruppierungen - etwa Gewerkschaftsbund, Arbeiterkammer, Bundes wirtschaftskammer -als Geldgeber verankert sein: „Ich erkläre offen: Wir wollen die Verstaatlichung der Entwicklungshilfe!“

Ähnlich argumentiert Wolf Har-ranth von den Kinderfreunden, der meint, man habe erkannt, daß die Probleme des Jugendrates nicht - wie lange Zeit angenommen - personeller, sondern sachlicher Natur seien. Der Austritt sei bewußt auf lange Sicht er-

folgt, um genügend Zeit zu haben, eine neue Struktur zu finden. Auch sei das Unbehagen mit der heutigen Form des Jugendrates nicht nur bei den drei „Bösen“, die den Austritt erklärt haben, vorhanden.

Änderungen wünscht sich auch Günther Thaler von der Jungen ÖVP, aber eher weniger Abhängigkeit vom Staat, der derzeit den Jugendrat praktisch zu 100 Prozent finanziert. Thaler kann sich des Eindruckes einer gezielten sozialistischen Aktion (Bundeskanzleramt, sozialistische Vertreter im Jugendrat) nicht erwehren, begonnen durch eine Uberprüfung der Gebarung des Jugendrates im Auftrag des Bundeskanzleramtes durch die „Perfekta Treuhand u. RevisionsgesmbH“, welche offenbar Mißstände aufzeigen sollte, um eine Auflösung des Jugendrates zu rechtfertigen. Todt sieht solche Mißstände auch als erwiesen an, „wenn zwei Leute mit 11.000 Schilling Gehalt zwei Jahre in Papua-Neuguinea nur fischen“.

Während die linke Seite beteuert, es gehe nur um wirksamere Entwicklungshilfe, und bedauert, daß die Querelen innerhalb des Jugendrates an die Öffentlichkeit gedrungen sind, wittert Thaler parteipolitische Hintergründe. Wie auch immer, wenn sich die Kontrahenten nicht einigen können, werden etliche junge österreichische Entwicklungshelfer vielleicht bald fassungslos dastehen. Zumindest aber ratlos. Jugendratlos.

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