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Politisches Krebsgeschwür

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Jose Napoleon Duarte mußte sich einer schweren Krebsoperation unterziehen. Während er vom Tod gezeichnet zwischen San Salvador und dem Washingtoner Armeekrankenhaus zur weiteren Behandlung pendelt, zerfällt El Salvador — nun ohne politische Mitte — einmal mehr in Bürgerkriegslager. Die Todesschwadro-ne morden immer offener, die Militärs denken an Machtergreifung, Duartes Christdemokraten sind unversöhnbar gespalten.

El Salvadors Christdemokraten hatten unter der Führung des zähen Duarte zwei Dekaden lang ein politisches Zentrum zu bauen versucht. Die Initiative, das zerrissene Land so zu versöhnen, scheiterte an einer unüberwindlichen Allianz der oligarchischen landbesitzenden Familien, des Militärs und der Exportindustriellen.

Bei den jüngsten Lokalwahlen im März gewann die rechtsradikale Arena (Allianz Renovadora Nacionalista) eindeutig den Urnengang und okkupierte im Mai auch noch die absolute Mehrheit im Einkammer-Kongreß.

Ob dieser Wahlschlappe zerstritten sich die verschiedenen Fraktionen der Christdemokraten auf das äußerste. Die Kür eines Parteikandidaten für die Präsidentschaftswahlen 1989 endete in unüberbrückbaren Feindschaften. Deshalb verschob der bereits todkranke Duarte seine längst fällige Operation immer wieder und wartete auch noch auf die Rückkehr seines Vizes Rodolfe Castillo Claramount aus Taiwan, um kein verfassungsrechtliches Vakuum aufkommen zu lassen.

Vom Zerfall der Christdemokraten profitieren eindeutig die Arena-Anhänger, für die die Christdemokraten „Kommunisten“ sind. Sie bestimmen schon jetzt die Gangart im Kongreß und könnten im Duarte-Vakuum zusammen mit den Armeeoffizieren zur eigentlichen politischen Kraft des Landes aufsteigen.

Je stärker allerdings die Arena-Partei wird, desto geringer sind die Chancen für ein Friedensabkommen mit der linken Guerilla, obzwar Amnestiegespräche, wie sie der mittelamerikanische Friedensprozeß verlangt, wieder vorbereitet werden.

Die Guerilla reagiert auf den Zerfall der Mitte mit verschärfter Wirtschaftssabotage, die Arena-Partei beschimpft das Militär als zu milde im Kampf gegen die „Subversion“. Das geprüfte Land wird wieder einmal von regelmäßigen Stromausfällen (Guerilla) heimgesucht sowie von Morden und Folterungen durch Todesschwadronen gequält.

Wirtschaftlich überlebt El Salvador überhaupt nur wegen der großzügigen Finanzhilfe der USA und der dorthin ausgewanderten Salvadorianer. Den wirklichen Verfall des Landes zeigt jedoch das Pro-Kopf-Einkommen, das auf den Stand der sechziger Jahre zurückgefallen ist.

Das Leben Jose N. Duartes, sein Kampf und sein politisches wie gesundheitliches Scheitern, verkörpert auf exemplarische Weise die Tragödie seiner Heimat: Anfang der siebziger Jahre gab es in dem damals wirtschaftlich noch blühenden Land die Option auf eine bessere Zukunft - als Duarte 1972, nach mehreren gefälschten Wahlen (bei denen die Christdemokraten um ihren Sieg gebracht worden waren), zusammen mit jungen reformverpflichteten Offizieren einen Putschversuch unternahm.

Die politische Öffnung, die damals möglich war, unterblieb, weil der Putsch kläglich scheiterte. Junge Christdemokraten, von der Formaldemokratie enttäuscht und um ihren Sieg betrogen, drifteten nach dem mißlungenen Putsch in die Guerilla, Duarte, von seinen Parteifreunden in Venezuela freigekauft, ging nach Caracas.

Einmal noch gab es Hoffnung für das Land, als Jose N. Duarte nach dem zivil-militärischen Reformputsch von 1979 im Triumph aus seinem Exil nach San Salvador zurückkehrte. Aber die ängstliche Junta brachte keine nationale Versöhnung fertig, sodaß Anfang der achtziger Jahre der Bürgerkrieg in aller Heftigkeit aufloderte. Damals warf sich Duarte noch einmal in die Schlacht, um mit dem Bau einer mehrheitsfähigen Reformmitte das Land zu retten.

1984 gewann Jose Napoleon Duarte an der Urne seine verfassungsrechtlich einwandfreie Präsidentschaft. Zu spät: Ein Krebsgeschwür zerfraß als politische Polarisierung bereits das Land.

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