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Machtspiele in El Salvador

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Neun Monate nach den Wahlen in El Salvador - von vielen Politikern als die „freiesten“ in der Geschichte des Landes bezeichnet- hat sich das politische Spektrum ganz beträchtlich verschoben.

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Neun Monate nach den Wahlen in El Salvador - von vielen Politikern als die „freiesten“ in der Geschichte des Landes bezeichnet- hat sich das politische Spektrum ganz beträchtlich verschoben.

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Die extreme Rechte, repräsentiert durch den Parlamentspräsidenten Major Roberto d’Aubuisson, hat zur Befriedigung des US-Botschafters Deane Hinton an Boden verloren und sieht sich in der Nationalversammlung einem „Demokratischen Zentrum“ unter Führung der Christdemokraten gegenüber. Einigkeit zwischen den Parteien herrscht nur hinsichtlich der Priorität der Guerillabekämp-

fung und der Ablehnung einer realistischen Verhandlungslösung mit den Befreiungsbewegungen, die inzwischen rund ein Zehntel des Staatsterritoriums kontrollieren.

Aus den Wahlen vom 28. März ging zwar die bis dahin regierende Christdemokratische Partei (PDC) als relativ stärkste Partei, jedoch als der eigentliche Verlierer hervor, da sich alle anderen Fraktionen sofort zu einer Koalition zusammenschlossen, die in der 60sitzigen konstituierenden Nationalversammlung über 36 Stimmen verfügte.

„Eine ausdrückliche Koalition gegen uns, um uns gänzlich von der Macht zu verdrängen“, wie Julio Adolfo Rey Prendes, Generalsekretär der PDC, erklärte, „aber in der Politik kann man nicht mit mathematischen Spielen arbeiten.“

Das erwies sich auch, als die erst im vergangenen Jahr gegründete ultrarechte „Arena“ (Republikanisch-nationalistische Allianz) unter Roberto d’Aubuisson, der als Leiter von Todesschwadronen und Anstifter des Mordes an Erzbischof Romero gilt, die gesamte Macht im Parlament an sich zu reißen versuchte und sich dabei ausdrücklich auf das Vorbild des Gründers der spanischen Falange Jose Antonio Primo de Rivera berief.

Ein Versuch der „Arena“, 12 Abgeordnete der „Nationalen Versöhnungspartei“ (PCN) völlig auf ihre Seite zu bringen und somit mit 31 Stimmen eine absolute Mehrheit im Parlament zu zementieren, endete mit def Spaltung der PCN, die bis zum Putsch der reformistischen Militärs am 15. Oktober 1979 die „offizielle“ Partei gewesen war.

„Arena“ (19 Sitze) kontrolliert nun mit den neuen „Autonomos“

und der rechtsgerichteten Einmannfraktion „PPS“ nur mehr 29 Stimmen, während die Christdemokraten (24) mit den fünf Delegierten der Rest-PCN und den beiden Abgeordneten der zentri- stischen „Acciön Democratica“

(AD) eine de-facto-Allianz gegen Arena bilden.

Daß „Arena“ als extremistische K"aft damit nicht neutralisiert ist, erklärte ein Parlamentarier, der nicht genannt werden wollte: „Von den 29 von Arena kontrollierten Stimmen wiegen einige mehr, denn sie wiegen Blei…“. Tatsächlich fürchten vor allem die fünf verbliebenen PCN-Abge- ordneten nach mehreren Morddrohungen um ihr Leben.

Wie wenig die einzelnen Abgeordneten in der Nationalversammlung wirklich zu reden haben, zeigte sich, als Parlamentspräsident d’Aubuisson eines Tages eine Abstimmung gegen einen Dialog mit der Guerilla durchdrücken wollte, ohne daß einer der Delegierten den kurz davor veröffentlichten Verhandlungsvorschlag der Befreiungsbewegungen auch zu Gesicht bekommen hätte.

Aber auch dem im Frühjahr auf Druck der USA und der Armee gewählten Präsidenten Alvaro Magana sind die Hände gebunden — ohne die Unterschriften von zwei der ihm zu Seite gestellten drei Vizepräsidenten ist sein Wort absolut wertlos.

Der tatsächliche Machtkampf

wird zwischen Major Roberto d’Auson und Verteidigungsminister General Guillermo Garcia ausgetragen, die jedoch letzten Endes beide von der Unterstützung der Vereinigten Staaten abhängig sind. Deswegen konnte d’Aubuisson auch nicht mit einem Schlag alle Reformen der christdemokratischen Junta rückgängig machen, solange er noch über die erforderliche Stimmenmehrheit verfügte.

Eine Einstellung der von den USA jährlich bereitgestellten Millionenhilfe (rund 320 Millionen in diesem Jahr) würde nach den Worten des US-Botschafters Deane Hinton den baldigen Fall der Regierung zur Folge haben. Die in der FMLN zusammengeschlossenen Befreiungsbewegungen sind heute auch militärisch nicht mehr zu schlagen und kontrollieren unumstritten zehn Prozent des Territoriums.

Nach wie vor sind aber auch politisch gemäßigte Politiker bestenfalls bereit, „den Linken jenen politischen Raum zuzugestehen, den sie ausfüllen können, unter der Voraussetzung, daß sie die Waffen niederlegen und sich den demokratischen Spielregeln unterwerfen“.

Wie riskant dies aber für die Rebellenführer wäre, beweist die Tatsache, daß sich selbst die Christdemokraten nach dem gewaltsamen Tod mehrerer Parteifunktionäre in einem schwerbewachten Gebäude vor dem nach wie vor herrschenden rechten Terror verschanzen müssen.

Die in der FDR und FMNL zusammengeschlossene Opposition sucht zwar den Dialog mit der Regierung, lehnt aber deren Demokratiekonzept ab: „Man kann nicht von Demokratisierung sprechen, solange die Kuppel der Macht von Faschisten besetzt ist“.

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