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Gewichtige Stichwahl

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Wenn der Christdemokrat Jose Napoleon Duarte nur etwas mehr als 43 Prozent der abgegebenen Stimmen gewinnen konnte, so stellt das dem Wahlprozeß am 25. März, der nicht nur unter der wieder agierenden Mordhand der To-desschwadrone und der Sabotageakte der Guerilla litt, sondern auch vom Chaos der überkomplizierten computerisierten Stimmenregistrierung begleitet war, ein zweifelhaftes Zeugnis aus.

Duarte hätte mit einer absoluten Mehrheit siegen müssen. Jetzt wird es im Mai zu einer Stichwahl kommen. Major Roberto d'Aubuisson, Duartes schärfster Gegner, der im Macho-Stil schwelgende „Kommunistenfresser" aus dem rechtsradikalen Lager - wo nicht nur die Guerilla, sondern auch Duarte als „subversiv" gilt, kann dem Christdemokraten dabei gefährlich nahekommen.

Aber: Wenn jemand überhaupt noch die Fäden des zerstörten politischen Gewebes El Salvadors aufnehmen und verknüpfen kann, dann Duarte.

Es wäre völlig verfehlt, ihn als Marionette der Vereinigten Staaten einzustufen. Auch ist er keine ausgebrannte Hülse — wenn auch der peruanische Dichter Maria Vargas Llosa in einem Bericht für das US-Magazin „Time" schreibt, er litte unter einer „chronischen Traurigkeit".

In Jose Napoleon Duarte steckt noch die Kraft für eine unorthodoxe Lösung. Gerade weil einige seiner früheren Kollegen und Mitarbeiter - Guillermo Ungo, Chef der FDR-Dachorganisation der FMLN-Guerillaarmeen, ist das beste Beispiel dafür — in führenden Positionen der bewaffneten Volksopposition stehen, könnte Duarte einige Fäden wieder verweben.

Eine Lösung, soferne sie überhaupt noch gelingen kann, wird dem Christdemokraten alles abverlangen. Zunächst einmal müssen die heute tonangebenden Armeekommandeure neutralisiert werden — und sei es, indem man sie auf Attache-Posten möglichst weit von El Salvador fortschickt. Dann muß die Armee umorganisiert werden, wobei die Guerilla daran beteiligt sein will.

Gelingt dieses Schwerste, ist alles andere im Vergleich einfach, zumal auf die Grundmuster der Reformvorschläge der „Revolutionsjunta" von 1979 zurückgegriffen werden kann.

Diese Art der Konfliktentschärfung wird immer dringender, weil beide Kontrahenten, sowohl das offizielle El Salvador als auch die Guerillaarmeen, sich wie angeschlagene Boxer bewegen (ganz zu schweigen von der leidenden Bevölkerung, die bei einer Arbeitslosigkeit von 40 Prozent, starker Unterbeschäftigung und Fluchtbewegungen zwischen den verzahnten Fronten immer mehr verarmt).

Uber den mangelnden Kampfwert von El Salvadors Armee ist genug berichtet worden. Aber auch die Guerillaarmeen stecken trotz enorm ausgeweitertem Ein-flußgebiet in Engpässen. Die forcierten Rekrutierungen — sonst ein Monopol des staatlichen Heeres — häufen sich.

El Salvadors Erzbischof, Mon-signore Arturo Rivera y Damas, aus dessen Menschenrechtsbüro auch die Meldung kommt, daß 1983 5142 Zivilisten durch die Sicherheitskräfte und Todesschwa-drone, aber nur 67 durch die Gue-rilleros umkamen, hat im Vormonat persönlich die Freilassung von 36 Jugendlichen bewirken können, die mit der FAL-Frak-tion der FMLN (Fuerzas Armadas de Liberacion) zwangsweise mitziehen mußten.

Das Land selber ist ein Trümmerhaufen geworden. El Salvadors Infrastruktur, die während der beiden vergangenen Jahrzehnte unter der Koordination der internationalen Entwicklungsbanken modellhaft aufgebaut wurde, ist weitgehend zerstört. Die Kriegsschäden belaufen sich nach Schätzungen des Salva-dor-Berichtes des US-Außenministeriums auf zumindest 800 Millionen Dollar. Seit 1980 schrumpft die Wirtschaft ohne Unterbrechung. El Salvadors Pro-Kopf-Einkommen ist mit 560 Dollar auf den Stand von 1963 zurückgefallen.

Sollte jedoch auch Duarte scheitern, oder sollte die „Rosca" mit einem Sieg von Roberto d'Aubuisson im Mai gewinnen -sei es auch, daß dies mit Gewalt und Mord veranlaßt wird -, so steht El Salvador die „Libanisie-rung" ins bereits halbzerstörte Haus.

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