Mossad oder Schleichkatzen?
Wer ist eigentlich Schuld an Corona? Das wüsste Kolumnistin Brigitte Quint nur zu gern.
Wer ist eigentlich Schuld an Corona? Das wüsste Kolumnistin Brigitte Quint nur zu gern.
Ein Verwandter hat mich letztens im Halbscherz gefragt, wer eigentlich Schuld habe an Corona. So hätte er gedanklich durchdekliniert, wer oder was dafür in Frage käme. Xi Jinping wäre ein guter Kandidat. Oder der Marktchef von Wuhan. Auch Fledermäuse, Gürteltiere oder Schleichkatzen seien verdächtig. Ebenso Geheimdienste – vom chinesischen Ministerium für Staatssicherheit über die CIA bis hin zum Mossad. Natürlich hätten letztere nicht direkt etwas mit dem Ausbruch des Virus zu tun; aber das Infektionsgeschehen hätten sie besser im Auge behalten können. Der Verwandte befindet sich in guter Gesellschaft. Die australische Außenministerin hat nach einer „internationalen Kommission“ gerufen, die die Schuldfrage klären soll. Und ganz ehrlich, ich wüsste es auch gerne.
Ich habe versucht im Internet herauszufinden, warum der Mensch oder zumindest mein näheres Umfeld immer einen Schuldigen sucht. Der erste Treffer war ein Artikel mit dem Titel „Opferrolle“. Über dem zweiten stand „Selbstbetrüger“. An dritter Stelle kamen „Psychotipps“. Wer diese befolge, so las ich, lerne, nicht immer die Schuld bei anderen zu suchen. Eigentlich hatte ich andere Quellen erwartet. Irgendein Bibelzitat. Wer aber „Bibel“ und „Schuld“ in die Suchmaschine eintippt, landet ganz schnell bei „Sünde“. Dann bleibe ich lieber bei Selbstbetrüger.
Ich interpretiere das jetzt so, dass ich mich selbst betrüge, wenn ich wissen will, wer Schuld an Corona hat. Ebenso mein Verwandter. Und die australische Außenministerin. Irgendwie logisch. Selbst wenn wir als Trio den Übeltäter überführen würden, säßen wir dennoch weiter im Lockdown. Außer, der Schuldige hätte einen Impfstoff dabei. Aber das wäre jetzt eine Verschwörungstheorie.
Lesen Sie auch die Quint-Essenz "Krisenfeste Wunderbärchen" oder "Das schwache Weib".
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