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Streik! Streik! Streik!

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Streiks dominieren die Titelseiten der kanadischen Presse. Arbeitskonflikte verursachten 1974 den Verlust von 9,500.000 Arbeitetagen. Nicht wenige Anzeichen deuten darauf hin, daß dieser Rekord 1975 noch überboten werden wird. Viele Streiks ereignen sich im öffentlichen Dienst — bei der Post, im Transportwesen, in Spitälern und Schulen — und verursachen dem Durchschnittsmenschen immer wieder Unnannehm-lichfceiten.

In einem sensationellen Bericht mit der Überschrift „Warum Kanadier die Gewerkschaften hassen lernten“, erwähnt der „Toronto Star“ die Ursachen: Lohnforderungen, die beredte im ersten Jahr Erhöhungen von fast 20 Prozent erreichen, heizen die Inflation weiter an. Manche Gewerkschaften verlangen Lohnerhöhungen von 50 Prozent. Hohe Arbeitskosten mindern Ranadas Chancen auf dem Weltmarkt und haben zu einer Arbeitslosigkeit von über 7 Prozent geführt. Schon haben Kanadas Löhne jene des südlichen Nachbarlandes überholt. Das Ungewöhnliche an diesem Bericht des „Toronto Star“ — der größten Zeitung des zweitgrößten Landes der Erde — war die Tatsache, daß das Blatt sonst den Gewerkschaften sehr freundlich gegenübersteht.

Nicht selten gefährden Streiks im öffentlichen Dienst die Existenz von Betrieben. Typisch dafür war die Anzeige des Wochenblattes „Tton-toer Zeitung“ (deutschsprachig) im „Toronto Star“: , .Bekanntmachung für die Abonnenten. Unter dem Diktat der Gewerkschaften und angesichts der Machtlosigkeit Ottawas, bitten wir unsere Abonnenten, die Zeitung für die Dauer des Poststreiks von den Verteilerstellen abzuholen.“

Selbst wenn Kanadas Post einmal nicht streust, streiken die Montrealer

Postier. Eine Leserin von Torontos „Globe & Mail“ berichtet: „Ich bin bereite seit fünf Wochen ohne Luftpost. Ich habe den Kontakt mit Verwandten, Freunden und Geschäftepartnern verloren. Ich konnte vorerst nicht verstehen, was sich ereignete. Es gab keinen Streik bei Kanadas Post. Was war die Ursache? Eine Handvoll Männer in Montreals Post-Office erpreßte mit ihren Beschwerden die Regierung und den Rest der Nation. 25 Millionen Poststücke blieben unsortiert...“ Postminister Mackasey, einer der fähigsten Köpfe der Regierung Trudeau, versuchte Ordnung zu schaffen, mußte aber im Parlament berichten:' „Kanadas Ureinwohner hatten einen besseren Service mit ihren Rauchsignalen als wir ihn mitunter bieten.“

Die Montrealer sind die streiklustigsten Kanadier. Besonders militant ist die von der Quebec Federa-tion of Labour organisierte Bauarbeitergewerkschaft, deren wiederholte Streiks die Olympischen Spiele ernstlich gefährdeten. In Montreal streiken selbst Polizisten und Feuerwehrleute — oder sie drohen mit Streik.

Die Konservativen, die bei den letzten Wahlen für die Preis- und LohnkontroMe eintraten, ohne damit durchzudringen, machen nun die liberale Regierung für das Streikfieber, die Inflation und die hohe Arbeitslosigkeit verantwortlich.

Immer noch gehört dieses Land mit seinen unermeßlichen Bodenschätzen zu den beneidenswerteren Nationen der Erde. Rangierte Kanada aber früher unter den reichen Staaten an zweiter Stelle, so ist das „Land der schwarzen Bären“ nun hinter der Schweiz, Schweden, Dänemark, USA Kuwait und Liechtenstein auf den siebenten Platz abgerutscht.

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