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Triumph der Größe

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Es war ein Vormittag der Neuentdeckungen, der innigen Freude und der schwerelosen, gleichwohl die ganze Seele erfassenden Heiterkeit: dieses Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker im großen Saal des Wiener Musikvereins.

Herbert von Karajan zeigte, daß auch diese, zuweilen leichtere Musik höchste Konzentration erfordert. Sein analytischer Intellekt gab den Kompositionen ihre ursprüngliche Gestalt wieder: Andante und Piano waren tatsächlich langsam und leise, die schnell und lebhaft dahingleitenden Melodienfolgen erhoben sich zu einer lebensfrohen Beschwingtheit, klar gesetzte Pausen erhöhten die Spannung. Man glaubte, auch so bekannte Piecen wie die Ouvertüre zum ,£igeu-nerbaron“ oder den Walzer ,J?rühlingsstimmen“ zum ersten Mal zu hören.

Karajans Kunst hat offenbar seine höchste Reife erreicht. Der Dirigent legt — mit hartem Zugriff oder spielerischer Freude — die Strukturen des Musikstücks frei, und vermittelt das Gefühl einer Gelassenheit, die nicht gefallen, sondern das Wesentliche darstellen will, im Dienste der Musiker, des Publikums und vor allem der Komponisten. Demut vor dem Werk verhilft Karajan zu einer Größe, die es sich leisten kann, zum Schluß auch dem Publikum, das den Radetzkymarsch mit Klatschen im Takt begleitet, ein Piano oder ein Forte abzuverlangen.

Es sei für zukünftige Verfasser einer Kulturgeschichte der Eindruck vermerkt: Nirgends und

niemals wurde die Musik von Johann Strauß Vater und Sohn trefflicher gespielt als am 1. Jänner 1987 unter Karajan im Wiener Musikverein.

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