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Vernunft und Inferno

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Gleich zwei prominente Spanier, die im Exil in Frankreich lebten, beziehungsweise noch leben, sind zur Zeit in Salzburg mit ihren Meisterwerken zu sehen: Francisco Goya (1746 bis 1828) und Jose Ortega, der seit 1962 in Paris arbeitet.

Die Kriegsgreuel der spanischen Befreiungskämpfe, Hungersnöte, die leidenschaftlich erhitzte, blutrünstige Geschichte des Stierkampfes, grausam abgründig und lächerliche Ungereimtheit mit tödlichem Ausgang haben Goya stets fasziniert: Dämonen putzen sich auf seinen Blättern heraus, Hexen skalpieren unglückliche Verirrte, die Prozession der Eingesackten stolpert über Steingeklüft ins Verderben. „Der Traum der Vernunft gebiert Ungeheuer“, hat er eine seiner beklemmendsten Visionen genannt. Vor allem in den Aquatintafolgen „Caprichos“, „Desa- stres“, „Trauromaquia“ und „Pro- verbios“ hat er, der als erster Spanier sich des Mediums Zeichnung und Druckgraphik bediente, all diese Alpträume einer äußeren und inneren Welt gebannt. Achtzig kostbare Blätter dieser Zyklen — aus dem Besitz der Graphischen Sammlung der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich — werden bis 12. September im Salzburger Museumspavillon im Mirabellgarten gezeigt. Sie beweisen, wie sehr Goya aus innerer Notwendigkeit „der letzte der alten und erste der modernen Meister“ werden mußte.

Der brutale Realismus seiner Arbeiten, in der Gegenwart etwa einem Alfred HrdliCka vergleichbar, scheint ein Inventar zu sein, in dem alles, was der alten Kirche als teuflisch galt, mit besonderer Freude aufgenommen wurde. Nie vorher sind in der Kunst das Inferno im Menschen und die unmenschlichste, grausamste Vernunft derart unvermittelt aufeinandergeprallt.

Sozusagen die moderne Variante Goyas, freilich in einer eleganter verspielten Präsentationsform, bietet Josė Ortega an: Flüchtlinge, Polizeiknüppel, Rebellionen, Herden von Gefangenen, glühende Mittagshitze, Hunger…Das ist sein Spanien der Knechtschaft, mit dem er bittere Erfahrungen gemacht hat. Erst in Frankreich kam er dazu, in Ruhe zu arbeiten. Dort pinselt er seither seine „Zeichen des Aufbruchs“ auf Tafeln, Leinwände, Blätter: Symbole, bewegte Figurenzeichen, mit denen er seine politische Haltung, seinen Wunsch, „den Menschen zu wecken“, ein ums andre Mal dokumentiert. Nach Wien zeigt nun die Salzburger Galerie Welz Ortega: Bilder, Aquarelle, Lithos. Intensive Farben brennen wie der spanische Himmel, Prägedrucktechniken machen Blätter (wie die des Zyklus „Schnitter“) gleichsam zu bunten Reliefen. Das Bild hat sich von einer Szene, einer Bühne, in einen Gegenstand verwandelt; wie Picasso bezieht Ortega bildnerische Mittel und das dekorative Erbe der spanischen Kunst in seine Arbeit ein. Wie Picasso stellt er den aktuellen Bezug her: der Weg von „Guemica“ zu den „Schnittern“, den Segadores, ist geradlinig. Im Realismus, in der Symbolik, als Zeichen des Aufbruchs.

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