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Verschleuderte Chancen

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Die Veranstalter sind zufrieden. Beinahe 8000 Besucher kamen heuer zum Salzburger Fest in Hellbrunn: Oper im Steintheater, Schauspiel im Ehrenhof des Schlosses, Ballett im Wasserparterre, Kammermusik, Literatur, Bänkelsingerei in den Grotten, Sälen, in Parknischen, an Teichen, und dazu das Riesenfeuerwerk ... Das ist fürs Publikum alle Jahre wieder eine attraktive Mischung aus Kulturell-Anspruchsvollem, Unterhaltung, eine rechte Gaudi, die vom Volksfest gar nicht so weit entfernt ist.

Und doch. Alles scheint in Hellbrunn nicht mehr so ganz zu stimmen. Monteverdis „Orfeo“ heuer im Steintheater zwar mit imponierender Sängerbesetzung präsentiert, aber vom Regisseur Oscar Fritz Schuh in lähmende Ihszenierungsfadesse verpackt, soll im nächsten Jahr wiederholt werden. Eine Sparaktion, damit 1977 nichts Neues produziert werden muß? Oder wollte sich niemand den Kopf zerbrechen, was man sonst alles machen könnte?

Dem Publikum werden die

Gründe wahrscheinlich ziemlich egal sein. Aber daß es mit Reprisen wenig Freude hat, gerade in Hellbrunn, wo es auf Spektakel und Überraschungen und nicht so sehr auf Besetzungsfragen für Insider ankommt, das scheint jedenfalls ziemlich sicher.

Man scheint da beim Fest ein bißchen ins Schleudern gekommen zu sein: Längst schaut das Programm für den aufmerksamen Beobachter nach Routine aus. Längst sind so manche Programmeinlagen Verlegenheitslösungen, das heißt beliebig austauschbar gegen anderes. Längst ist das einst überreiche Programm nicht mehr voll von kleinen Attraktionen, von spontanen Einfällen. Der Rechenstift hat so manches abgestrichen, der Platz zwischen den großen Produktionen wirkt notdürftig gefüllt. Und gerade dafür hat das Publikum ziemlich feines Empfinden. Und so ist zu befürchten, daß das „Beispiel Hellbrunn“, das Antifest zu Salzburgs großen Festspielereignissen und schließlich auch als Fest der Salzburger Bevölkerung

und der „kleinen Leute“ gegründet, an Popularität verlieren könnte. Was schade wäre.

Es wirkt jetzt einfach sanierungsbedürftig. Aber noch ist es Zeit, daß sich die Veranstalter eine Menge einfallen lassen, bevor das Fest im Klischee erstarrt. Daß man sich wieder mehr auf Hellbrunns geistigen Rahmen besinnt und daraus eine Art Dramaturgie ableitet. Daß man nicht bloß wahllos Moliere neben Michael Haydns „Baßgeiger von Wörgl“ stellt, sondern Ausgrabungsarbeit leistet, Phantasie und Courage zeigt und Werke aus der Versenkung holt, die hier geistesge-schichtliche Berechtigung haben: Opernwerke aus dem Kreis um Monteverdi, Madrigalkomödien, die Dichtung der großen Manieristen (Marino etwa), die Comme-dia dell'Arte ... Als Idee ist dieses Fest in Hellbrunn ein Schlager. So attraktiv, daß auch die Kulturpolitiker, vor allem die, die die sogenannte Elitekultur gern attackieren, ihre Freude dran haben müßten. Nur, ratlos, wie heute viele in Kulturfragen sind, erkennen sie offenbar gar nicht die Chance. Denn ähnliches könnte auch in Wien, in Laxenburg oder im Prater als großes Spektakel Schule machen.

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