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Statt Demokratisierung — Politisierung

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„Das ist ja wieder alles nur eine Farce“ erklärte Salzburgs Stadtfinanzreferent und Vizebürgermeister Hofrat Dr. Hanse- litsch. Was Hanselitsch als Farce und mit anderen abschätzenden Bemerkungen charakterisiert hatte, war im Vorjahr Salzburgs erfolgreichste, wenn auch außerhalb des offiziellen Festspielprogramms stehende Veranstaltung — im sonst eher armen Juhiläumssommer — das „Fest in Hellbrunn“.

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„Das ist ja wieder alles nur eine Farce“ erklärte Salzburgs Stadtfinanzreferent und Vizebürgermeister Hofrat Dr. Hanse- litsch. Was Hanselitsch als Farce und mit anderen abschätzenden Bemerkungen charakterisiert hatte, war im Vorjahr Salzburgs erfolgreichste, wenn auch außerhalb des offiziellen Festspielprogramms stehende Veranstaltung — im sonst eher armen Juhiläumssommer — das „Fest in Hellbrunn“.

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Bereits im Herbst 1970 hatte der Vorstand der Gesellschaft Hellbrunn beschlossen, auf Grund des großen Erfolges im Sommer 1970 auch 1971 den Komplex von Hellbrunn, der bei den Festspielen, obwohl ideal geeignet, bisher kaum bespielt wurde, wieder mit attraktiven Veranstaltungen für ein breites Publikum kulturell zu erschließen.

Bei einer Pressekonferenz im Wiener Presseclub „Concordia“ hatte der künstlerische Leiter des Heilbrunner Unternehmens, Paul Ange- rer („Mir hat der große Erfolg in Salzburg nichts Positives, sondern Negatives gebracht, ich werde jetzt sogar als Opernchef abgelöst“), nähere Details über die geplanten Veranstaltungen 1971 bekanntgegeben,

• so sollte im Felsentheater eine barocke Oper „Daphne“ von Cal- darra auf geführt werden,

• sollten im Schloßpark die Wiener Sängerknaben an geeigneten Plätzen nebst zahlreichen anderen musikalischen Darbietungen ein breites Publikum erfreuen,

• sollte in der Heilbrunner Fasanerie Strawinskis „Geschichte vom Soldaten“ aufgeführt werden

• und schließlich Opern und Pantomimen auch an anderen Plätzen des großen Areals des Salzburger Lustschlosses placiert werden.

Gleichzeitig mit der Wiener Pressekonferenz trat die Gesellschaft Hellbrunn, geführt von Prosessor Friedrich Welz, Professor Clemens Holzmeister, Paul Angerer und anderen prominenten Salzburgern und Wahl- salzburgem an Bund (Unterrichtsminister Gratz), Land und Stadt um Subventionen heran.

Machte man den Hellbrunnern von seiten des Landes und der Stadt sowie auch des Fremdenverkehrsverbandes noch Hoffnungen, so lehnte hingegen Unterrichtsminister Gratz jegliche Subvention beziehungsweise Übernahme einer Ausfallhaftung durch das Kuratorium der Festspiele ab:

• Man denke in Hinkunft daran, den Festspielkomplex nur noch auf die beiden Festspielhäuser und auf die Felsenreitschule, beziehungsweise die Spielplätze um den Dom und das Mozarteum zu erstrecken und ansonsten eher einzuschränken,

• und außerdem habe er aus Salzburg gehört, beim Fest in Hellbrunn in diesem Jahr seien zu viele sportliche Attraktionen und zuwenig Künstlerisches geboten worden.

Lang rätselten die Heilbrunner

Aktiven, was denn 1970 so sportlich gewesen sei, bis man schließlich daraufkam, Gratz könne wohl nur die dem Landwirtschaftsministerium ressortmäßig unterstellten Lipizzaner gemeint haben.

War man in Hellbrunn durch derartige erste Ablehnungsversuche vorerst geschockt, so kam dem Wiener Paul Angerer nur wenig später jene Königsidee, von der auch SPÖ- Kulturlandesrat Dr. Moritz meinte: „Das ist richtig, das bedeutet eine echte Demokratisierung, wie wir sie auch bei den Festspielen sehen wollen.“ So wollte man nämlich 1971 kein „Fest in Hellbrunn“ durchführen, sondern unter dem geänderten Titel „Spiele In Hellbrunn 1971“ eine recht attraktive Programmgestaltung, nunmehr aber bei freiem Eintritt, statt wie bisher um 300 Schilling, bieten.

Mit dieser „Demokratisierung“ wäre jedes Wochenende während des Festspielsommers zweifellos für tausende und zehntausende Touristen aus aller Welt, die keine Festspielkarten bekommen oder sie sich nicht leisten können, eine Attraktion geschaffen.

Aber nur wenige Wochen später, nachdem Zusagen von Landes- und Stadtpolitikern der ÖVP, SPÖ und FPÖ die Stimmung im Heilbrunner Lager optimistisch hatten werden lassen, lehnte die SPÖ- und FPÖ-Gemeinderatsfraktion eine Subvention ab. Damit aber wurde auch die Landeshilfe infolge der Koppelung null und nichtig.

Nachdem man inzwischen mit zahlreichen prominenten Künstlern Vorverträge abgeschlossen hatte, war man nunmehr bei der Gesellschaft Hellbrunn zu Recht verärgert, nicht nur, weil man inzwischen in Schwierigkeiten finanzieller Art gekommen war, sondern auch, weil die Ablehnung der FPÖ-SPÖ-Gemeinderats- fraktion nicht etwa in einer offiziellen Sitzung ausgesprochen worden war, sondern nur mündlich dureh Bürgermeister Salfenauer mitgeteilt wurde. FPÖ-Gemeinderat Schmitt- ner, Vorsitzender des Fremdenverkehrsausschusses, dazu: „Ich habe meine Fraktion leider nicht mehr umstimmen können.“

Trotz dieser neuerlichen Attacke, die nach der Wahl eines Politikers zum Festspielpräsidenten offensichtlich auch den übrigen Kulturbereich Salzburgs langsam zu verpolitisieren droht, will man in Hellbrunn nicht aufgeben. Mit privaten Sponserungen und anderen Subventionen soll 1971 doch ein recht attraktives Programm geboten werden. Neben Reiterspielen werden im Steintheater ein Stück von Monteverdi und eine Chordarbietung auf dem Programm stehen. Neben Konzerten im gesamtem Parkbereich und innerhalb des Schlosses wird die „Daphne“ von Caldarra nunmehr doch aufgeführt werden.

Was man bei den Salzburger Festspielen vermißt, nämlich eine Jugendförderung, will Hellbrunn in Hinkunft forcieren. So soll heuer erstmals ein künstlerischer „Hyde- park-Corner“ jugendlichen Künstlern aus aller Welt die Möglichkeit einer Vorstellung geben.

Für 1972 aber ist man trotz der gemachten Erfahrungen optimistisch: Im kommenden Jahr soll ein Fest in Hellbrunn aufgezogen werden, das alles Bisherige in den Schatten stellt. Ob man allerdings mit der Politisierung statt der Demokratisierung im Salzburger Kulturleben fertig wird, weiß man derzeit noch nicht.

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