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Unterschiedliche Handhabung

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Die Verfahrensregeln der Vorwahlen variieren von Staat zu Staat. Grundsätzlich gilt aber, daß der Wähler das Recht hat, für jenen Mann oder jene Frau zu stimmen, die seiner Meinung nach von der Partei aufgestellt werden sollten. Er gibt seine Stimme entweder direkt dem Kandidaten oder einem Konventsdelegierten, der sich verpflichtet hat, beim Parteikonvent für den betreffenden Kandidaten zu stimmen.

In einigen Staaten sind die gewählten Konventsdelegierten ausdrücklich verhalten, den Sieger der Vorwahl beim Parteikonvent zu unterstützen, wenigstens solange er noch einigermaßen Chancen auf die tatsächliche Nominierung Hat. In anderen Staaten gilt die Entschei-

düng der Vorwahl nur als eine unverbindliche Empfehlung für die Konventsdelegierten. In jenen Staaten, die das Vorwahlsystem nicht verwenden, bestimmt gewöhnlich der Parteikonvent des Staates oder der Obmann der Partei die Delegierten zum Bundeskonvent.

Das System der Vorwahlen geht auf den Beginn dieses Jahrhunderts zurück, als politische Reformer dem kleinen Parteimitglied ein Mit- spracherecht bei der Aufstellung der Kandidaten einräumen wollten. Wisconsin war 1905 der erste Bundesstaat, der die Vorwahl einführte. Seinen Höhepunkt erreichte das Vorwahlsystem im Jahre 1916, als 24 Bundesstaaten verschiedene Arten von Vorwahlen durchführten. Seit-

her ist ein gewisser Stillstand eingetreten.

Heute führen die Befürworter der Vorwahlen ins Treffen, daß die Wählerschaft schon frühzeitig mit den Absichten der möglichen Kandidaten zu politischen Tagesfragen vertraut gemacht wird und daß wenigstens ein Teil der Wähler Gelegenheit hat, auf die Nominierung Einfluß zu nehmen. Die Gegner argumentieren, daß die Ergebnisse der Vorwahlen keineswegs als repräsentativ gelten können, da sie nur in einem Drittel der USA stattfinden.

Umstrittenes System

Expräsident Trumanbezeichnete einmal das ganze System der Vor wählen als „Augenauswischerei“, wobei er darauf hinwies, daß Vorwahlen die Kandidaten nur Zeit und Geld kosten und keineswegs die spätere Nominierung garantieren. So hatte beispielsweise Senator Kefau- ver sich 1952 bei 15 Vorwahlen beworben und zwölf davon sogar gewonnen ; Präsidentschaftskandidat der Demokraten wurde damals aber Adlai Stevenson, der sich an keiner einzigen Vorwahl beteiligt hatte.

Wie dem auch sei, die Vorwahlen lassen doch gewisse Rückschlüsse auf die Popularität einzelner Kandidaten außerhalb ihrer unmittelbaren Heimat zu. 1960 überzeugte Kennedys überwältigender Vorwahlerfolg in West-Virginia, wo nur 5 Prozent der Wählerschaft katholisch sind, die Demokraten, daß Kennedys Religionsbekenntnis kein unüberwindbares Hindernis selbst in mehrheitlich protestantischen Gegenden war.

Vorwahlen können aber auch schon frühzeitig manche Bewerber völlig aus dem Rennen werfen. 1948 unterlag Harold Stassen in der Vorwahl in Oregon nur ganz knapp dem New Yorker Gouverneur Thomas Dewey, aber niemand nahm nachher seine Bewerbung mehr ernst.

Ob nun das umstrittene System der Vorwahlen den Zweck erfüllt, den sich die Reformer davon versprachen, bleibt weiterhin eine offene Frage. Tatsache bleibt jedenfalls, daß die Ergebnisse der Vorwahlen nicht nur von der amerikanischen Öffentlichkeit, sondern in der ganzen Welt als ein Maßstab für die Popularität der möglichen Präsidentschaftsanwärter sorgfältig beobachtet werden.

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