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Weg von den Lobbies

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Demokratisierung ist ein gern gebrauchtes Schlagwort, um innenpolitische Gruselkabinette auszuleuchten. Tatsächlich aber haben alle etablierten Parteien ein System der Kandidatenauslese entwickelt, das den wenigsten Wählern demokratisch erscheint: Befragt, ob Vorwahlen als Reform der Kandidatenauswahl durchgeführt werden sollen, äußerten sich 64 Prozent der Österreicher positiv — 34 Prozent negativ.

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Demokratisierung ist ein gern gebrauchtes Schlagwort, um innenpolitische Gruselkabinette auszuleuchten. Tatsächlich aber haben alle etablierten Parteien ein System der Kandidatenauslese entwickelt, das den wenigsten Wählern demokratisch erscheint: Befragt, ob Vorwahlen als Reform der Kandidatenauswahl durchgeführt werden sollen, äußerten sich 64 Prozent der Österreicher positiv — 34 Prozent negativ.

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Das momentan herrschende System, um Mandatare auszuwählen, hängt vom guten Willen der Obmänner, Sekretäre sowie deren Lobbies ab, denn über Ortsgruppen-, Ortsparteitage, . Bezirksgruppen- und Bezirksparteitage kommen die Namen der Kandidaten zu den Hauptbezirksund Stadtparteitagen, um dann endgültig bei den Wahlkreisdelegiertentagen zu landen, die diese Namen alphabetisch gereiht dem Landes-partedpräsidium vorlegen. Die bis jetzt von der ÖVP gemachten Vorwahlversuche (Landtagswahlen 1970 in Kärnten und der Steiermark sowie für die Nationalratswahl 1970 in Oberösterreich) wurden zwar als Erfolg gepriesen, waren jedoch recht unverbindlich.

Nach Bundesländern aufgeschlüsselt ergibt sich in den westlichen Bundesländern ein stark ausgeprägtes Demokratieverständnis: Oberösterreich, Salzburg, Tirol und Vorarlberg plädierten zu 70 Prozent für, zu

25 Prozent gegen Vorwahlen. In der Steiermark und In Kärnten waren 63 Prozent pro und 34 Prozent kontra Vorwahlen und spiegelten damit fast genau die Wiener Zahlen (64 Prozent dafür, 34 Prozent dagegen). Niederösterreich und das Burgenland scheinen die Auswahlkriterien zu billigen, denn nur 38 Prozent zeigten sich von Vorwahlen angetan. Bezogen auf Altersgruppen ergibt sich, daß 59 Prozent der über SechzSigjährigen, 67 Prozent der Fünfundvierzig- bis Sechzig jährigen, 60 Prozent der Altersstufe zwischen 30 und 45 Jahren und 74 Prozent der unter Dreißigjährigen Vorwahlen positiv gegenüberstehen. Ein Team der Steirischen Jung-ÖVP hat nun einen „Kandidatenauslese“ betitelten Entwurf vorgelegt, der alle ÖVP-Bünde und Zweckverbändemitglieder sowie alle Wähler, die sich durch formlose Meldung dazu legitimieren' und nicht Mitglieder einer anderen politischen Partei sind, aktiv wahlberechtigt. Passiv wahlberechtigt sind, dem Entwurf folgend, alle aktiv Wahlberechtigten, die das 25. Lebensjahr vollendet haben; damit besteht die Möglichkeit, auch außerhalb der Partei stehende Kandidaten zu wählen. Jeder aktiv Wahlberechtigte kann, sofern er 30 Unterschriften von Wahlberechtigten erhalten hat, seine Kandidatur an die betreffenden Bezirksleitungen herantragen. In landeseinheitlich stattfindenden Bezirksgruppenversammlungen der Bünde werden, entsprechend dem Mitgliederstand, die Kandidaten geheim und schriftlich gewählt Aus diesen Bezirkslisten hat nun die Landesparteileitung die Stimmzettel der einzelnen Wahlkreise zu erstellen. Nach Bünden geordnet und in alphabetischer Reihenfolge. Jeder Wähler kann nun zu jeder der fünf hündischen Rubriken drei Stimmen abgeben oder drei neue Namen dazu-schredben und die Kandidaten reihen. Die ausgefüllten Stimmzettel kommen zurück an die Landesparteileitung, die mit Auswertungsmatrix die Ergebnisse sichtet. Diese Reform der Kandidatenauslese ist revolutionär, an ihrer Durchführung darf gezweifelt werden; daß hingegen die biher gehandhabte Auslese der Kandidaten durch demokratischere Auswahlkriterien ersetzt werden muß, steht außer Zweifel.

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