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Ein Wahlkampf mal zwei

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Als erste der Parlamentsparteien hat die ÖVP bereits Konsequenzen aus der Wahlrechtsreform (FURCHE 28/1992) gezogen und für den Eigengebrauch ein bundeseinheitliches Vorwahlmodell beschlossen. Was aber nicht heißt, daß sich die „Vorwähler" künftig sogar den ÖVP-Kanzler-kandidaten aussuchen können.

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Als erste der Parlamentsparteien hat die ÖVP bereits Konsequenzen aus der Wahlrechtsreform (FURCHE 28/1992) gezogen und für den Eigengebrauch ein bundeseinheitliches Vorwahlmodell beschlossen. Was aber nicht heißt, daß sich die „Vorwähler" künftig sogar den ÖVP-Kanzler-kandidaten aussuchen können.

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Zwar hat die Volkspartei früher schon einmal mit Vorwahlen experimentiert, letztlich haben sich aber doch bündische Interessen bei der Gestaltung der Kandidatenlisten durchgesetzt. Das soll sich in Zukunft ändern: Das Ergebnis der Vorwahlen, die bundesweit zum gleichen Zeitpunkt und mit offiziellen Stimmzetteln per Briefwahl durchgeführt werden, ist nicht nur bindend, es muß auch, damit „Nachjustierungen" ausgeschlossen sind, veröffentlicht werden. Mutig ist jedenfalls die ÖVP-Entscheidung, über das Parteivolk hinaus alle Wahlberechtigten zur Mitentscheidung einzuladen.

Die Aufstellung der Kandidatinnen und Kandidaten kann freilich nur durch Mitglieder - 50 Unterschriften in einem Bundesland genügen, um dabei zu sein - erfolgen, auch die Reihung für die Vorwahlen erfolgt durch Parteigremien, nicht zuletzt um sicherzustellen, daß nicht Mitglieder anderer Parteien in VP-Listen hineingeschmuggelt werden. Andererseits wurde für Frauen eine Begünstigungsklausel geschaffen: Die bestgereihten Frauen bei der Vorwahl sind auf jeden Fall für den Stimmzettel zur Nationalratswahl zu berücksichten.

Das verbindliche Vorwahlregulativ mit all diesen Konsequenzen gilt allerdings nur für das erste Ermittlungsverfahren, bei dem in den 43 Regional wahlkreisen Direktmandate vergeben werden und die Listen außerdem durch Vorzugsstimmen

leichter verändert werden können.

Für die Ebenen darüber, also für die neun Landeslisten zum zweiten Ermittlungsverfahren, die schon schwieriger durch Vorzugsstimmen beeinflußt werden können, und für die Bundesliste, auf die es keinerlei Wählereinflußnahme mehr gibt, stehen Diskussion und Entscheidung noch aus. Zwar betont ÖVP-General-sekretärin Ingrid Korosec im Gespräch mit der FURCHE („aber das ist meine private Meinung, eine wei-

Ingrid Korosec: Trotz Bevorzugung wird es für Frauen schwierig (Foto Hopi)

tere Klärung ist noch nicht erfolgt"), daß jene, „die sich bei Vorwahlen besonders qualifiziert haben", auf Landeslisten Berücksichtigung finden sollten, trotzdem müsse man dort „auch für einen gewissen Ausgleich sorgen". Das betreffe nicht nur die Jugend und die Frauen, „die möglicherweise trotz der Bevorzugung für das erste Ermittlungsverfahren nicht besonders gut vertreten sein könnten", sondern auch den bündischen

Stellenplan, um auch da „eine repräsentative Verteilung zu erhalten". Und außerdem, meint Korosec, müßte schon auf Länderebene auf die notwendigen Experten für die parlamentarische Arbeit Bedacht genommen werden, „weil ja bei der Bundesliste dann nicht mehr viel zu vergeben ist".

In jedem Fall steht der Volkspartei künftig damit ein Wahlkampf mal zwei ins Haus: einmal für die Vorwahlen, einmal für die Nationalratswahl selbst. Ein guter Teil des Wahlkampfes wird in der Kandidatenauslese durch Vorwahlen bestehen. Ob, wie und in welchem Umfang die ÖVP den Kandidaten wettlauf auch auf Regional wahlkreisebene unterstützen und (mit-)finan-zieren kann, ist laut Korosec „auch noch nicht geklärt". Aber natürlich ist die Frage für all jene interessant, die über kein finanziell potentes Hinterland verfügen, voran Frauen und Jugendliche, die ebenso dem Leistungswettbewerb im Vorzugsstimmen-wahlkampf voll ausgesetzt sind.

Frau folgt auf Frau?

Auch andere knifflige Fragen sind noch nicht ausdiskutiert. Was passiert etwa im Fall, daß eine Frau, die ein Direktmandat erreicht hat, aus dem Parlament ausscheidet, weil sie beispielsweise in eine Regierungsfunktion berufen wird? Soll ihr dann wieder eine Frau folgen? Oder doch der, der danach die meisten Vorzugsstimmen erhalten hat? Korosec nach einer Nachdenkpause: „Natürlich würde ich mir da eine Frau wünschen. Auf der anderen Seite glaube ich, da müßte man schon den Nächstbestgereihten nehmen."

Über die Grünen im Parlament wurde.dazu in der FURCHE 30/1992 und über die FPÖ in der Nummer 33/1992 berichtet.

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