Afrikas Lachen reparieren

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Seinen Jahresurlaub wollte der Güssinger Zahnarzt Peter Schopf für eine gute Sache spenden. Aus dem Engagement ist eine Zahnstation in Burkina Faso entstanden - und 18 Kollegen helfen mit.

Lachen ist der Laut, den man in Afrika am häufigsten hört, heißt es in vielen Reiseberichten, und das trotz der drei hinlänglich bekannten K: Kriege, Katastrophen und Krankheiten. "Stimmt", denkt sich Andreas Beer. Er ist von diesen "unendlich freundlichen, offenen Menschen" fasziniert, von dem Moment an, in dem er in Ouagadougou aus dem Flieger steigt. Doch das Lachen ist getrübt, eigentlich schwer beschädigt: kaputte, wackelnde, fehlende Zähne, zentimeterdicker Zahnstein - dort wo Lachen sein soll, ist oft nur quälender Schmerz.

Andreas Beer ist Zahnarzt, seine Praxis in Judenau an der Tulln läuft herrvorragend, sagt er, doch er wollte auch noch etwas anderes, "etwas Gescheites" machen - und ist nach Burkina Faso geflogen.

8 Zahnärzte für 9 Millionen

Zahnärzte sind in dem westafrikanischen Land eine Rarität: 25 behandeln zehn Millionen Einwohner; davon ordinieren 17 in der Hauptstadt. Für die neun Millionen Burkiner auf dem Land bleiben acht Zahnärzte, oder anders gerechnet: auf jeden Zahnarzt kommen 288 Millionen Zähne. Dementsprechend schlecht schaut es mit der Zahngesundheit aus. Beer ist in seinem Element: "Du siehst die kaputten Zähne und möchtest losstarten - aber das geht dort nicht." Sein Kollege Peter Schopf lacht: "Wie in Österreich über den Patienten herfallen, kann der Zahnarzt in Burkina Faso nicht." Schon die Begrüßung zwischen Arzt und Patient ist ein langwieriges Ritual, erzählt Schopf, dem das Zitat eines Burkiners besonders in Erinnerung geblieben ist: "Ihr Weißen habt die Uhr, wir haben die Zeit."

Seine Freizeit, einen Jahresurlaub, wollte der Güssinger Zahnarzt Schopf Ende 1997 spenden - "ein besinnlicher Anfall in der Adventzeit". Er kontaktiert den burgenländischen Tischlermeister Franz Grandits, der schon seit Jahren das größte private Entwicklungshilfeprojekt in Burkina Faso betreibt. Schopf war von Grandits und dessen Ausstrahlung und Enthusiasmus begeistert: "Von ihm weggegangen bin ich mit der Zusage, eine Zahnklinik zu bauen und einen Einheimischen zum Zahnarzt auszubilden."

Sechs Jahre später steht die Klinik in Baam, im Norden des Landes, am Rande der Sahelzone; geleitet wird sie vom Hilfszahnarzt Felix Sebego; "eine Perle", sagt Schopf, "einer, der das letzte Hemd für seine Landsleute hergibt, einer, der dem Namen des Landes alle Ehre macht." 1984 wurde das frühere Obervolta, eines der ärmsten Länder der Welt, in Burkina Faso - "Land der Unbestechlichen" umbenannt.

"Wir sind reine Amateure in der Entwicklungshilfe", meint Peter Schopf, "wir machen alles selbst". Die Erfolge, die der Burgenländer und seine Helfer vorweisen können, zeigen allerdings, dass hier Profis am Werk sind: Die Zahnstation ist auf dem letzten Stand der Technik, und der einheimische Zahnarzt wird von 19 österreichischen Spezialisten, die übers Jahr verteilt ihren Urlaub in der Klinik verbringen, unterstützt.

Urlaub in der Zahnstation

"Die besonders schwierigen Fälle überlässt Felix Sebego den weißen Ärzten", erklärt Schopf die bewährte Arbeitsteilung. Und besonders schwierige Fälle gibt es genug: Wenn ein kranker Zahn über Jahre hinweg nicht behandelt wird, sucht sich der Eiter einen Weg und durchbricht die Wange. Das Loch wird so groß, dass der Arzt seinen Finger bis in die Mundhöhle stecken kann; die Wunde stinkt, nässt - jahrelanges Leiden. Beim neunjährigen Ouadraogo ist es noch schlimmer: Ein eitriger Zahn hat im Oberkiefer den Augenbogen angefressen und das Auge nach oben gedrückt.

"Wenn du in einen Mund hineinschaust siehst du neben dem akuten Problem auch noch fünf weitere", beschreibt Andreas Beer die Arbeitssituation, "aber du kannst immer nur eins beheben." "Wir sind keine Zwangsbeglücker", fügt Peter Schopf hinzu, "wir machen, wozu die Patienten bereit sind." Und die Dankbarkeit ist groß: Sogar ins Abendgebet der Geheilten werden die Zahnärzte eingeschlossen. Und auch beim Sonntagsgottesdienst wird angekündigt, wenn ein Spezialist aus Österreich in Baam ordiniert.

Gratis ist die Behandlung nicht: "Aus erzieherischen Gründen verlangen wir kleine Beträge", erklärt Schopf, "das ist aber immer noch billiger, als wenn der Patient einen Monatslohn für die Busfahrt zum Zahnarzt in die Hauptstadt zahlen muss." Und mit Augenzwinkern fügt er hinzu: "Es gibt auch Rabatt, und vier Zähne werden zum Preis von einem gezogen."

Seine Hoffnung auf eine Verbesserung der Zahngesundheit in Burkina Faso verknüpft Schopf aber mit der von den Österreichern initiierten Bewusstseinsbildung in den Schulen. Die Kinder lernen, wie wichtig Zahnhygiene ist. Und dass es für ihre Zähne sehr schlecht ist, wenn sie den Mund mit Hirsebrei vollstopfen, um den Tag über daran lutschen zu können. Unterstützung erhalten Schopf & Co. von Afrikas Pflanzenwelt: In der Region wächst ein Strauch, dessen faseriges Holz einen zahnschützenden Wirkstoff enthält. Dieses Holz ist noch dazu weich und kann als Zahnbürste genutzt werden. Ideale Rahmenbedingungen, fehlt nicht mehr viel, und das Lachen in Burkina Faso ist nicht nur herzlich, sondern auch schön.

Liebe Leserinnen und Leser,

Burkina Faso ist weit weg, vor allem von den Herzen der Menschen. Keine erschütternden Fernsehberichte, keine spektakulären PR-Auftritte der Helfer. Dafür höchste Glaubwürdigkeit und die Garantie, dass jeder Euro persönlich überbracht wird. Deswegen haben wir die Aktion "Burkina Faso, Hilfe direkt" zum Furche-Hilfsprojekt erklärt.

Bitte helfen Sie mit, das Lachen Afrikas zu reparieren.

Spendenerlagscheine liegen dieser Ausgabe der Furche bei.

Gerda Schaffelhofer

Geschäftsführerin der Furche

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