Burkina Faso - © Foto: Pixabay

Michael Linhart: "Hätt' ich doch mehr Mittel ..."

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Michael Linhart, Chef der Austrian Development Agency (ADA), hat Burkina Faso im Rahmen einer Konsultationsreise besucht. Im FURCHE-Gespräch zieht er Bilanz: über Politik und Entwicklungszusammenarbeit, über den Umstieg auf Budgethilfe und über Solidarität in der Welt.

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Michael Linhart, Chef der Austrian Development Agency (ADA), hat Burkina Faso im Rahmen einer Konsultationsreise besucht. Im FURCHE-Gespräch zieht er Bilanz: über Politik und Entwicklungszusammenarbeit, über den Umstieg auf Budgethilfe und über Solidarität in der Welt.

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Die Furche: Herr Botschafter, Burkina Faso ist ein Schwerpunktland der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit (OEZA). - Sie haben Burkina in den letzten Tagen im Rahmen einer Konsultationsreise kennen gelernt - zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen: funktioniert die Zusammenarbeit?

Michael Linhart: Das Besondere an der Zusammenarbeit mit Burkina Faso ist, dass Österreich hier einen strukturierten und institutionalisierten Dialog mit den Regierungsstellen führt. Mit Burkina findet ein intensiver gegenseitiger Abstimmungs-und Programmierungsprozess statt, sowohl auf technischer als auch auf politischer Ebene, bei dem jede Seite immer wieder an ihre Verpflichtungen erinnert wird. Damit erreichen wir in dem Land eine echte "Ownership", also eine echte Teilhabe der burkinischen Gesellschaft an unseren Projekten.

Die Furche: Ihre Konsultation hatte aber auch - im besonderen wegen Österreichs eu-Präsidentschaft - eine politische Dimension...

Linhart: ... die mir sehr wichtig ist. Es braucht eine starke Verschränkung zwischen Entwicklungszusammenarbeit (EZA) und Politik - und das auf beiden Seiten: In Österreich muss unsere Politik hinter der eza stehen, genauso wie die Politik in Burkina Faso die eza nicht konterkarieren darf. Denn die Strukturen, die wir gemeinsam aufgebaut haben, verpflichten uns, Verantwortung zu tragen, gegenseitige Verantwortung.

Die Furche: Und Sie hatten das Gefühl, dass Burkina Österreich als verantwortungsvollen Partner sieht?

Linhart: Hier werden wir als Partner mit einer langen Tradition aufgenommen und als Partner, die mit hoher Qualität arbeiten. Den Burkinabè kommt es nicht nur auf die Quantität der eza an, sondern vor allem darauf, dass gute und verlässliche Arbeit geleistet wird. Wir arbeiten hier ohne politische Hintergedanken, sondern aus einer wirklich ernst gemeinten Freundschaft heraus und mit dem Gedanken der Solidarität.

Die Furche: Sie sagen, Österreich arbeitet ohne politische Hintergedanken in Burkina Faso - gilt das auch für die Zusammenarbeit mit der Regierung, der von vielen Seiten demokratische Defizite vorgeworfen werden?

Linhart: Die Zusammenarbeit mit der Regierung ist wichtig und notwendig. Gleichzeitig unterstützen wir das ganze Land auf dem Weg zu einer Gesellschaft, die noch mehr als bisher den demokratischen und humanitären Prinzipien entspricht. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen wir natürlich ebenso intensiv mit der Zivilgesellschaft in Burkina Faso zusammenarbeiten. Man kann nicht an den Regierungsinstitutionen vorbeiarbeiten, wenn wir wollen, dass unsere eza anerkannt und unterstützt wird, wenn wir wollen, dass unsere EZA Wirkung hat und wenn wir wollen, dass es zu einem nachhaltigen Erfolg kommt.

Die Furche: Die österreichischen Projekte für mehr Dezentralisierung fördern den Abbau des Zentralstaates, unterstützen die Demokratisierung im ländlichen Raum und den Aufbau einer Zivilgesellschaft - verfolgt Österreich im Umgang mit der burkinischen Politik also mehr einen stillen, subversiven Ansatz?

Linhart: Wir gehen hier einen Weg parallel zu den Bemühungen des Staates. Es ist Programm der Regierung, stärker zu dezentralisieren und am Land demokratische Strukturen aufzubauen - gerade erst vor drei Wochen hat es die ersten Kommunalwahlen in Burkina Faso gegeben. Wenn wir hinausgehen und mit unseren Projekten die ländlichen Strukturen unterstützen, arbeiten wir Hand in Hand mit der burkinischen Regierung. Und es ist wichtig, sie genau in diesen Bereichen zu unterstützen, durch Projektarbeit, durch Programmarbeit ...

Die Furche: ... aber noch nicht mit Budgethilfe - die burkinische Regierung, im Chor mit den anderen Entwicklungsländer, drängt jedoch auf diese Form der Entwicklungszusammenarbeit, dass also die Hilfsgelder direkt in das Staatsbudget zur weiteren Verwendung fließen.

Linhart: Budgethilfe ist zunächst einmal eine verständliche Forderung der burkinischen Regierung. Andererseits wollen wir nicht Budgethilfe geben, ohne dass wir auf die Rahmenbedingungen und die Kapazitäten des Landes selbst Rücksicht nehmen. Es muss das Land auch die Absorptionsfähigkeit haben, die Budgethilfe aufzunehmen und entsprechend umzusetzen.

Die Furche: Was heißt das konkret - wird Österreich auf Budgethilfe umstellen?

Linhart: Österreich wird als Land, das eine große Tradition in der Projektarbeit hat, nur einen langsamen Übergang in diese Richtung machen können: schrittweise, angepasst und begleitet durch Projektarbeit, die immer wichtig bleibt. Denn wenn wir einmal in die Budgethilfe miteinsteigen, wollen wir sehen, dass die Gelder, die auf oberster Ebene hineinfließen auch Auswirkungen an der Basis haben - und das können wir in den Projekte überprüfen.

Die Furche: Österreich arbeitet - gemeinsam mit vielen anderen Geberländern - schon seit Jahrzehnten in Burkina Faso, trotzdem gehört das Land immer noch zu den ärmsten der Welt - was macht Burkina, was machen wir falsch?

Linhart: Die Probleme, die Burkina hat, hängen nur zu einem Teil mit dem Land selber zusammen. Natürlich sind hier auch von Geber-und Empfängerseite Fehler gemacht worden, hat es Rückschläge gegeben, aber Burkina Faso ist in einem extrem schwierigen Umfeld: Wenn es in der Region eine Krise gibt, wirkt sich das direkt auf die Entwicklung Burkinas aus. Wenn es eine Dürrekatastrophe in der Region gibt, wirkt sich das direkt auf Burkina aus - es geht hier aber konkret um die Menschen, denen man helfen muss und helfen kann. Wir leben alle in einer Welt und müssen immer daran denken, dass es andere gibt, die unsere Unterstützung verdienen.

Die Furche: Was haben Sie gedacht, als Sie bei Ihren Fahrten durch Burkina Faso mit einem Ausmaß an Armut konfrontiert waren, die alle noch so engagierten Projekte nicht zu lindern vermag?

Linhart: Ich denk' mir da: Hätt' ich doch mehr Mittel, könnt' ich noch mehr tun. Bei den vielen Fällen, die man unterwegs sieht, muss man aber zurückstecken und Prioritäten setzen und schauen, wo wir am effektivsten helfen können.

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